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Simone Heß: „Pflegebedürftige Menschen sind so dankbar für ein freundliches Wort“

07.03.2017

Brikada sprach mit Gesundheits- und Krankenpflegerin Simone Heß (Jahrgang 1977) aus Augsburg, verheiratet und Mutter zweier Kinder (12 und 8 Jahre). 2013 absolvierte sie die Heilpraktikerprüfung, lies sich weiter in NLP (das Kürzel steht für Neuro-Linguistisches Programmieren, beschäftigt sich mit Kommunikationstechniken) sowie zum Gesundheitscoach ausbilden. Im Mai dieses Jahres wird sie an der Akademie für Homöopathie in Gauting bei München ihre Ausbildung zur Homöopathin abschließen. Zwischen den Ausbildungsblöcken arbeitete Simone Heß als Altenpflegerin, zum einen, weil sie diese Berufssparte kennenlernen wollte, aber auch und vor allem, weil sie ihre Ausbildung weitgehend selbst finanzieren wollte.

Sie liebt die Branche, die zahlreiche Facetten für einen erfüllenden Beruf bereithält. Simone Heß will sich nach Jahren gezielter Aus- und Weiterbildung in absehbarer Zeit ihren beruflichen Lebenstraum erfüllen: den Aufbau eine Praxis als Heilpraktikerin.

 

Fühlen Sie sich in Ihrem Beruf ausreichend anerkannt und auch entsprechend bezahlt?

Nein, ich treffe oft Menschen, die mich fragen, wie ich die Arbeit als Altenpflegerin machen kann. Körperlich aber auch psychisch ist der Beruf enorm anstrengend. Ich habe körperlich auch zu kämpfen. Die Bezahlung ist ebenfalls nicht zufriedenstellend.

 

 

 

Vereinbarkeit von Familie und Beruf zählt mit zu den großen Problemen, wenn Frauen Karriere machen wollen. Wie steht es damit bei Ihnen?

Ja ich habe meine Karriere unterbrochen. Mit 26 Jahren war ich vor der Heilpraktikerprüfung und habe als Krankenschwester an der Tropenklinik in Tübingen gearbeitet. Von dort aus wollte ich als Entwicklungshelferin nach Afrika gehen. Ich wurde ungeplant schwanger, und ich unterbrach alles. Wir gingen wieder zurück nach Augsburg, die Heilpraktikerprüfung machte ich dann erst neun Jahre später und den Traum von Entwicklungshilfe habe ich immer noch. Ich widmete trotz finanzieller Sorgen mich ganz der Erziehung meiner Kinder. Ich arbeitete auf 450-Euro-Basis in eine Coffeeshop. Mein Mann studierte und arbeitete nachts bei einem Augsburger Verlag.

Sie sind Mutter zweier Kinder – beteiligt sich Ihr Ehemann an der Aufgabenverteilung im Haushalt und bei der Kindererziehung?

Meine Kinder sind 12 und 8 Jahre alt. Ja, mein Mann ist sehr unterstützend in den alltäglichen Dingen. Er kümmert sich als Beispiel jeden Morgen um die Kinder macht Ihnen Pausenbrote. Er ist an den meisten Wochenenden alleine mit den Kindern und bewältigt alles sehr gut.

Derzeit macht sich der Trend bemerkbar, Pflegeberufe zur Hochschulreife heranzuführen, um der Forderung ein Pflegemanagement einzuführen, zu folgen. Würden Sie, mal angenommen, studieren, um Karriere zu machen, also ins Pflegemanagement oder in die Selbständigkeit zu wechseln?

Nein ich verfolge meine Arbeit als Heilpraktikerin lieber.

Wie versuchen Sie Ihre berufliche Selbständigkeit realisieren?

Ich realisiere es gerade. Ich benötige Mut, Liebe, meinen Mann und die Unterstützung meiner Eltern. Ich bin viel unterwegs und muss zu Hause viel Lernen. Ich bin Untermieterin in einer ganzheitlichen Praxis im Prinz-Karl-Viertel und beginne demnächst dort mit meiner selbständigen Arbeit.

Ihr Beruf als ambulante Pflegekraft ist zugegebenermaßen Kräfte raubend und äußerst verantwortungsvoll. Welche wesentlichen Aufgaben täglich auf Sie zu?

Ich arbeite vertraglich 10 Stunden in der Woche, etwa 2-3 Tage. Arbeitsbeginn ist etwa um 6.30 Uhr. Wir haben Frühschicht, Abendschicht oder geteilten Dienst, d.h. morgens und abends. In der Frühschicht haben wir etwa 15- 20 Patienten. Körperpflege ist nur bei manchen Patienten auszuführen. Öfter fahren wir nur zu Medikamentengabe oder zum Insulin spritzen zum Patienten. Verbände sind auch in etwa nur bei zwei Patienten zu machen. Eher noch Kompressionsstrümpfe an- und ausziehen. Wir sind telefonisch mit unseren Kollegen verbunden. Die Mappenpflege, d.h. die Dokumentation junserer Arbeit vor Ort sowie andere Arbeiten werden im Büro erledigt. Dort ist auch die Pflegedienstleitung. Die Kollegen sind alle sehr nett, aber sie sind alle überarbeitet. Es fehlt Personal.

Warum arbeiten Ihrer Meinung nach mehr Frauen als Männer in Pflegeberufen?

Ich denke, die Bezahlung ist zu schlecht, um eine Familie zu ernähren. Außerdem werden mehr alte Frauen versorgt, die oftmals nicht von Männern gewaschen werden wollen. Die Lebenserwartung von Frauen ist höher und somit eher das Klientel von uns Pflegerinnen. Ich würde es mir sehr wünschen, dass der Beruf für Männer attraktiver wird, damit die Pflege endlich mehr männliche Unterstützung bekommt.

Welche Rolle spielt die seelische Zuwendung zu Ihren Klienten?

Eine sehr große Rolle. Nur deshalb mache ich die Arbeit als Altenpflegerin. Die Vereinsamung ist ein großes Thema und die alten Menschen sind so dankbar für ein freundliches Wort , eine Berührung oder auch für das aktive Zuhören. Die ganzheitliche Sichtweise ist für mich enorm wichtig in der Arbeit mit Patienten.

Was würden Sie einer jungen Frau raten, die vor der Berufswahl steht und sich für den Pflegeberuf interessiert?

Ich würde Ihr nur dazu raten, wenn es ihre große Berufung und Leidenschaft ist. Die Vereinbarkeit mit Familie ist in diesem Beruf schwierig, da man öfter Wochenendarbeit oder auch Nachtschichten arbeiten muss und dies ist körperlich sehr anstrengend.

Bei allen Mühen und Sorgen, die im täglichen Umgang mit Pflegebedürftigen auf Sie zukommen: es gibt doch sicherlich auch positive, erfreuliche Begebenheiten, die Ihnen persönlich Kraft geben und Sie in Ihrem anspruchsvollem Tun bestärken.

Ja, das ist richtig! Ich hatte eine sehr alte Dame als Patientin. Sie hat viel erreicht in ihrem Leben und war eine sehr stolze Frau. Sie hatte viele Gebrechen, aber jammerte nicht darüber, sondern nahm diese heldenhaft an. Sie konnte vor lauter Schwäche schlecht stehen und wollte von mir nur bedingt Hilfe. Sie wollte es selber schaffen und ihre Würde bewahren. Sie machte sich trotz Bettlägerigkeit hübsch und war immer sehr gepflegt. Trotz Schwerhörigkeit hatten wir schöne interessante Gespräche. Diese Frau imponierte mir sehr. Sie ist für mich ein Vorbild für die Würde im Alter. Man kann von solch einem Patienten viel lernen. Auch die jungen Jahre in einem Bewusstsein zu erleben. Nichts ist selbstverständlich. Ich bin so dankbar, dass ich diese Frau kennenlernen durfte.

Wie sollten Pflegeberufe von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden?


Pflegeberufe sollten durch höhere Löhne attraktiver gemacht werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Selbstbewusstsein durch eine bessere Bezahlung gestärkt wird und auch das Ansehen in der Gesellschaft sich verbessern würde.

 

 

 

Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Ein Lächeln am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen!

Wer sind Ihre Vorbilder?

Glückliche Menschen, die bewusst und liebevoll ihr Leben genießen.

Welche Perspektiven sehen Sie für sich im Alter? Bzw. wie wollen Sie ihr Alter gestalten?

Ich bin sehr optimistisch und denke es wird alles gut. Ich würde gerne in einer Alterswohngemeinschaft auf dem Land leben.
(Die Fragen stellte Brigitte Karch)


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