Zeitgeschehen spiegele sich unmittelbar wider. „Politische Ereignisse und der Zeitgeist bilden sich seit jeher ab. Denken wir nur an die Hipster-Bärte“, erläutert Studiendirektorin Irene Schoppmeier, Leiterin der Deutschen Meisterschule für Mode Modedesign München.
„Und die Angst. Angst beeinflusst Mode häufig. Während des Golfkrieges beispielsweise war auf den Laufstegen sehr viel Camouflage zu sehen.“
Mode vermag aber auch diffuse Ängste abzuschwächen. Wolfgang Joop hat bekanntlich vor Kurzem eine Modelinie für Muslimas angekündigt.
Bildunterschrift (l.): Kollektionsmodenschau | Schau x 11 | Designtag
Vom 20. bis 22. Juli 2016 findet die DeMo 16 der Deutschen Meisterschule für Mode | Designschule München in der Säulenhalle, Arnulfstr. 62 in München statt.
Bevor Irene Schoppmeier 2010 die Leitung der Deutschen Meisterschule für Mode Designschule München übernahm, war sie Chefin der Berufsfachschule für Bekleidung in Nürnberg. „Wir hatten viele engagierte muslimische Schülerinnen. Verschleierung und Mode widersprechen sich nämlich keineswegs. Verschleierung kann sehr attraktiv, kunstvoll und sogar sexy sein. Manche junge Muslimas wissen genau, wie sie mit langer Kleidung ihre gute Figur betonen.“
Zu den 530 Schülerinnen und Schülern der Deutschen Meisterschule für Mode Designschule München zählen ebenfalls junge (unverschleierte) muslimische Frauen. „Aber wir würden weder Kopftuch noch Schleier verbieten. Im Gegenteil: Ich reiche dieser Gruppe die Hand.“
Angesagt: Nachhaltig, ethisch, vegan
En vogue sind derzeit ethische und kulturelle Einflüsse, afrikanische, asiatische Muster, blockhaft, grafische Designs. „Ethical Fashion“ laute das Motto, so Irene Schoppmeier – nachhaltige Mode mit Herkunftsnachweis, ökologisch und ethisch korrekt von der Faser bis zum fertigen Kleidungsstück. „Ein Schlagwort dazu heißt ‚sheep-to-shop‘, also vom Schaf (von der Wolle) zum Laden.“
Eine interessante Nische bildet 100 % vegane Kleidung aus pflanzlichen Fasern wie z.B. aus Bambus und natürlich Baumwolle. Manche Modemacher experimentieren mit Kleidung aus recyceltem Kunststoff.
Stark ist der Einfluss von Freizeit- und Sportmode, zumal wenn sie mit der Star-Faser Elasthan ausgerüstet ist. „Bequeme Kleidung wird heute sogar im Business begehrt.“ Strenge Abgrenzungen bestünden nicht mehr – „erlaubt“ sei etwa die Jogginghose zum Blazer. „Freizeitmode beeinflusst immens auch die Couture.“
Die Münchner Schule genießt international einen hervorragenden Ruf. „Das Niveau entspricht der Bachelorausbildung.“ Wer einen Abschluss hat, wird von Industrie und Modemarken regelrecht umgarnt. Eine Absolventin ist enge Mitarbeiterin von Vivian Westwood, andere sind für das Label Wunderkind tätig, für Bogner, Liebeskind und so manch‘ andere prominente Marken. „Unsere Schule ist sehr gut vernetzt.“ Irene Schoppmeier freut sich über beste Beziehungen zum Arbeitgeberverband Gesamttextil und zu vielen Unternehmen im In- und Ausland.
Bildunterschrift (r): Modelle aus Papier – Show „twilight eden“. Foto: Deutschen Meisterschule für Mode Designschule München
Das Schul-Spektrum umfasst u.a. die Städtischen Fachschulen für Modellistik, für Schnitt und Entwurf, Modegrafik und die Städtische Fachschule für Kommunikationsdesign. Kommunikationsdesign lehrt z.B. Internetauftritte, Werbefilme, Animationsfilme, Plakate. 2016 haben Schülerinnen bereits zum fünften Mal den Oktoberfest-Plakatwettbewerb der Stadt München gewonnen.
Frauen müssen sich als Label stilisieren
Dem Finden einer Anstellung – „Wichtig ist, dass die Absolventinnen eine Stelle bekommen, die ihre Frau ernährt und der langen Ausbildung würdig ist“ – stehen angesichts des Renommees der Schule so gut wie keine Hürden entgegen.
Ein mutiger Schritt in die Selbständigkeit dagegen ist schwierig. Das beginnt etwa in München schon mit den Ladenmieten für eine Schneidermeisterin oder Modistin. Leider seien Schneiderinnen häufig introvertierte Persönlichkeiten. „Dabei ist Selbstvermarktung so wichtig, Frauen müssen als Marke wahrgenommen werden. Ich kann mir übrigens für München durchaus einen weiblichen ‚Mosi‘ vorstellen.“ (Anm.d.Red.: Mosi = Rudolph Moshammer.)
Selbständige Schneidermeisterinnen müssen mit ihrem Marketing die Kundschaft nicht nur anwerben, sondern ihr auch das Gefühl für qualitätsvolle Mode vermitteln.
An genau diesem Gespür für Qualität hapere es heutzutage häufig, bedauert Irene Schoppmeier. „Bekleidung ist vielfach Massenware, zu haben bei Tchibo, KiK oder eben auch Escada. „Viele Menschen erkennen – selbst wenn sie die finanziellen Mittel haben – kaum mehr, was gutes modisches Design ist, gute Passform und qualitätsvolle Verarbeitung.“
Die Gründe dafür sieht die Modeschule-Chefin nicht zuletzt dahin, dass allgemeinbildende Schulen nur noch wenig Augenmerk auf Kunst, Literatur, Handarbeit Wert legten. „Das verschwindet mehr und mehr aus den Lehrplänen.“
Mit dem “Mood-Board“ Ideen aufspüren
Für die Schülerinnen (zuweilen sind auch Schüler darunter) ist als Instrument zum Erfassen einer Stimmung das so genannte Mood-Board eine Inspirationsquelle erster Wahl. Das Mood-Board ist eine der Strategien, die via Recherche zu Modeentwürfen führt. Das gilt für die Arbeit für die Industrie genauso wie für das Handwerk, das sich individuell auf die Kundin abstimmt.
Eine Frau, die ihre Kleidung von einer Maßschneiderin anfertigen lässt, wünscht modische Kleidung und etwas Außerordentliches, das dennoch mit dem Mainstream harmoniert. Frauen, die Prêt-à-Porter kaufen, wollen im Prinzip dasselbe.
Schneidermeisterinnen und Modellmacherinnen müssen Methoden entwickeln und Trends erkennen. Diese Stimmungen und Trends setzen sich aus vielerlei Facetten und Mosaiksteinchen zusammen: Kultur, Kunst, Straßenszenen, aus nicht wirklich zu Fassendem wie dem „Zeitgeist“.
Auf dem Mood-Board stellen die Schülerinnen diese Facetten und Recherchen konkret dar mit Fotos, Skizzen, dem Niederschreiben von Gedanken und spontanen Einfällen. „Mood-Boards bilden die Grundlage für Entwürfe“.
Im Ideen-Mix der Mode sind soziale Netzwerke und Bloggerinnen nicht zu unterschätzen: Sie können durchaus Trends ins Rollen bringen. „Ein Blog wird in erster Linie als Werbeträger benutzt. Jeder Blog hat mehr oder weniger Sponsoren, die ihre Werbung dort platzieren, Outfits bereitstellen.“
Bildunterschrift (r.): Oktoberfestplakat 2016 von Susanna Schneider und Linda Sophia Schultheis Designschule München
Schadet der Brexit der Hutmode?
Ein besonders reizvoller Ausbildungszweig ist die Ausbildung zur Modistin, zur Hutmacherin.Wie steht es um die Hutmode? „Die Hutmacher bilden eine sehr kleine Klasse.“ Die allerdings erfolgreiche Unternehmerinnen hervorbringt. Eine ehemalige Schülerin betreibt ein sehr erfolgreiches Hutgeschäft in edler Münchner Lage.
In diesem Zusammenhang bringt Irene Schoppmeier die britischen Royals ins Gespräch. Kate beispielsweise sei ein richtiges IT-Girl für Hüte bzw. für witzige und elegante Fascinators.„Hoffentlich schadet in dieser Beziehung der Brexit nicht“, lacht Irene Schoppmeier. (Anm. d. Verf.: Na, dann muss eben Maxima einspringen.)
Die Meisterschule engagiert sich jedenfalls weiterhin für schicke Kopfbedeckungen, so beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este in Como. „Dort sind wir alljährlich vertreten“.
Welchen Stil bevorzugt Irene Schoppmeier persönlich? „Ich bin eine relativ zierliche Frau und möchte mich nicht mit Rüschen und Schmuck beladen. Ich bin sehr extrovertiert und das zeigt sich in meinem Kleidungsstil. Er ist geradlinig, pur, ich liebe fließende Materialien und lege selbstverständlich großen Wert auf Qualität.“
Das Interview führte Doris Losch
Weitere Informationen:
www.meisterschule-fuer-mode.de
Titelbild: Oberstudienrätin und Leiterin der Deutschen Meisterschule für Mode Designschule für München