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Simone Böhm: „Es gehören sehr viele konservative, brave Tugenden dazu, einen Weinbaubetrieb zu gründen“

01.06.2012

Sie sind Weinbauingenieurin, Weinküferin und Sommelière – drei Berufe - was hat Sie dazu gebracht?
Im Fernsehen hatte ich einen Bericht über den Beruf des Weinküfers gesehen und fand die Bilder so beeindruckend, dass ich danach dachte: das will ich werden! Meine Ausbildungsbetriebe während der Lehrzeit waren wichtige Stationen. Dies waren das Bürgerspital zum Heiligen Geist in Würzburg, eines der größten privat geführten Weingüter in Deutschland. Mein zweiter Ausbildungsbetrieb war das Staatsweingut in Meersburg.

Nach dem Berufsabschluss wollte ich noch mehr das Thema vertiefen und nicht ausschließlich auf die Kellerarbeit des Weinküfers beschränkt sein. Vertrieb, Marketing und Verkauf reizten mich ebenfalls. Darum begann ich das Studium zur Weinbauingenieurin an der renommierten Hochschule in Geisenheim. Hier bekommt man den umfassenden Blick, etwa von Maschinenkunde, über Pflanzenschutz bis hin zu beispielsweise Vermarktung und Sensorik.

Einzig was mir fehlte, war der weinbauliche Blick „über den Tellerrand“. Ich wollte mehr über andere Anbaugebiete, andere Weinländer wissen. Und darum begann ich während des Studiums die Ausbildung zur IHK geprüften Sommelière. Diese habe ich erfolgreich abgeschlossen und bin dann an die Hochschule nach Wädenswil/Schweiz (bei Zürich), um dort meine Diplomarbeit zu schreiben.

Wie kamen Sie auf die Idee, „The Garage Winery“ zu gründen?
Während meines Studiums in Geisenheim hatte ich selbst einen kleinen Weinberg gepachtet, um das gelernte Wissen auch in Rebensaft umzusetzten. Die paar Zeilen wurden natürlich nur händisch bewirtschaftet, die Trauben im Herbst in der Badewanne der WG mazeriert und ausgepresst und zur Gärung stand der Glasballon dann direkt neben meinem Bett. Da träumte ich dann schon davon, selbst ein Weingut zu haben.

Anthony lernte ich dann während des Studiums kennen und ihm ging es ähnlich. Auch er hatte diesen Traum vom eigenen Betrieb. Während ich nach dem Studium in einem großen Weingut im Vertrieb tätig war und zwei Kinder bekam, gründete er bereits einen kleinen Betrieb. 2004 gab ich dann meine feste Anstellung auf und stiegt hier in den Betrieb mit ein. Seit dieser Zeit gibt es die Garage Winery und wir betreiben sie gemeinsam mit mittlerweile insgesamt vier Kindern.

Der Beginn des Betriebes fand in einer kleinen Garage statt. Da Anthony amerikanische Wurzeln hat, lag es nahe den Namen „Garage Winery“ zu verwenden.

„Ohne Tradition“ - ein Vorteil im Weingeschäft?
Am Anfang empfanden wir es als sehr schwer, ohne Tradition zu sein. Wir haben die ersten Jahre auch versucht, uns im Design den traditionellen Betrieben „anzupassen“. Aber irgendwie waren das nicht wir. Und so kam, auch mit der Garage Linie, unsere Art der Weinpräsentation durch. Diese Erkenntnis, wie befreiend es ohne Tradition sein kann, war einschneidend. Wir sind frei in dem wie wir unsere Weine vermarkten und präsentieren. Wir haben keine Diskussionen mit Eltern oder vorherigen Generationen, sind an keine Wappen oder ähnliches gebunden – und wir fühlen uns mit dieser Situation ungemein wohl. Wir können machen, was WIR wollen.

Kann man Sie als „Junge Wilde im Weingeschäft“ bezeichnen?
So werden wir gerne bezeichnet, wobei wir selber uns gar nicht unbedingt so fühlen. Denn es gehören sehr viele konservative, „brave“ Tugenden dazu, um einen Weinbaubetrieb von der Pike auf zu gründen: Disziplin, Ordentlichkeit, Genauigkeit und Durchhaltevermögen sind nur ein paar davon.

Wie gelingt es Ihnen, Wein-Einsteigern das doch recht komplizierte „Wein ABC“ näher zu bringen?
Hauptsächlich im direkten Gespräch und der Feststellung, dass jeder ein Weinkenner ist. Denn jeder kann sagen, ob ihm ein Wein schmeckt oder nicht. Basta, das ist das erste wichtige. Schmeckt jemandem ein Wein nicht, so wird er ihm auch nicht besser schmecken, wenn Weinkritiker diesen Wein loben.

Wie sieht bei Ihnen ein „ganz normaler Arbeitstag“ aus?
5.30 Uhr Uhr aufstehen, Brotzeiten für die Kinder richten, Frühstück, Haushalt, 8.00 Uhr Büroarbeiten und Versand bis 12.00. 13.00 Mittagessen, Hausaufgaben, Freuden und Nöte der Kinder betreuen. Nachmittags versuche ich, immer etwas außerhalb des Büros zu machen, da bei vier Kindern meistens am Nachmittag noch Freunde zu Besuch sind und hier ein rechter Trubel herrscht.

Im Übrigen beginnt meine Arbeit im Betrieb im Herbst. Trauben-Annahme, Überwachung der Gärung gehört ebenso dazu, wie alle anderen Arbeiten im Weinkeller. Neben dieser „Hochphase“ bin ich hauptsächlich für die Kundenbetreuung, die Auftragsannahme, - abwicklung, den Versand, die Buchhaltung, die Lohnabrechnungen, Präsentationen und die Organisation des Gesamtbetriebes zuständig.

Sie sind jetzt mit „The Garage Winery“ zehn Jahre am Markt – würden Sie etwas anders machen, wenn Sie nochmals vor der Berufswahl stünden?
Meine Begeisterung habe ich behalten, ich würde den gleichen Beruf wählen.
(Die Fragen stellte Brigitte Karch)

Weitere Informationen:
www.garage-winery.com

(Der Link wurde am 01.06.2012 getestet.)

Bildtext: Simone Böhm mit Söhnchen Benedict.jpg