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Dorothea Puschmann: "Von klein auf war kein Buch vor mir sicher"

29.03.2010

In Osnabrück geboren (Jahrgang 1956), absolvierte sie zunächst die Ausbildung zur Buchhändlerin und studierte Religionswissenschaften. Einige Jahre erwarb sie sich Berufserfahrung in Buchhandel und Verlag in den Bereichen Buchherstellung, Werbung und Vertrieb. Seit 1990 ist Dorothea Puschmann freiberuflich tätig. Mit dem Krimi "Zwickmühle" (Gmeiner Verlag) legte sie ihren ersten Roman vor.

Was hat Sie dazu gebracht, Ihren derzeitigen Beruf zu wählen?
Von klein auf war kein Buch vor mir sicher. Ich würde sagen, die Liebe zur Literatur, aber auch zur Bildenden Kunst.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Zum einen: Neben dem Malen, Zeichnen und Fotografieren habe ich schon immer gern Kurzgeschichten oder Gedichte geschrieben.
Zum anderen: Wenn man ein KrimiLiteratur-Magazin gestaltet und im Zuge dessen viele Bücher liest (ebenso natürlich als Buchhändlerin), kann man an einen Punkt gelangen, da möchte man selbst einen Roman schreiben. Es reizt einen ganz einfach, es auszuprobieren.

Verraten Sie einige Tipps und Tricks aus Ihrer Schreibwerkstatt?
Bei mir ist es so, dass fast alle Geschichten ihren Ursprung in etwas tatsächlich Erlebtem oder Miterlebtem oder Überliefertem (aus dem Hier und Jetzt) haben. Man merkt ja recht schnell, ob das Gehörte, Erlebte das Potential beispielsweise für einen Kriminalroman hat. Ganz selten beziehe ich meine Anregungen auch aus Zeitungsnotizen. Gelegentlich beginne ich dann auch zu recherchieren. Mit der Spannung ist es so eine Sache; eine Menge lässt sich sicher erlernen, dennoch bin ich der Ansicht, man muss so etwas (wie generell bei der Kunst) auch bereits ein wenig mitbringen, im Blut haben. Die Geschehnisse nicht bis zu Ende beschreiben, sondern ein Kapitel an einer besonders interessanten oder mitreißenden Stelle vorläufig beenden, ein neues beginnen. Das ist immer ein probates Mittel, für Spannung zu sorgen. Der Leser möchte natürlich wissen, wie es weitergeht. Nicht langweilen, sondern immer wieder überraschende, nicht alltägliche Situationen einbauen. Charaktere und Situationen müssen so gut beschrieben sein, dass der Leser sich bestens hineinfühlen kann. Es soll ihn ja förmlich in die Handlung hineinziehen! Was er liest, soll ihn faszinieren, möglichst so sehr, dass er sich kaum vom Buch trennen mag, bevor er es zu Ende gelesen hat.
Der Autor weiß natürlich, worum es in einzelnen Situationen seiner Geschichte, seines Romans geht, aber hat er auch ausreichend dafür gesorgt, dass es der Leser weiß?

Welches sind Ihre Lieblingsbücher?
Es gibt nur wenige Bücher, die ich bereits mehrfach gelesen habe und auch immer wieder lesen werde. Dazu gehört Die Wand von Marlen Haushofer. Das gibt es ganz selten nur, dass ein Roman von solch relativ einfacher Sprache gleichzeitig eine so unendliche Tiefe und große Qualität hat. Auch einige Kriminalromane von Patricia Highsmith, die Ripley-Bände zum Beispiel, habe ich mehrfach gelesen. Ebenso mag ich ihre Kurzgeschichten. Daran hat sich auch in all den Jahren des Viel-Lesens nichts geändert. Und noch zwei Bücher, die mich besonders ansprechen, wie ja so viele Menschen: Die Brüder Löwenherz und Der kleine Prinz. Es liegt auf der Hand, was die Qualität dieser Bücher, besonders die des erstgenannten und der beiden letzten ausmacht. Sie sind absolut zeitlos, überregional, voller unaufdringlicher Weisheit, und sie rühren die Menschen auf eine ganz besondere, sehr tiefe Art. Immer noch liebe ich Kästners Gedichte und Jugendbücher, die Gedichte von Sarah Kirsch und Erich Fried, auch Heinz Erhardts hinreißend komische und kluge Reime. Alle und alles aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Grundsätzlich gilt: Wirkliche Kunst entsteht selten in Zeiten der Sicherheit und Sattheit, sondern meistens aus irgendeiner Not heraus.

Was raten Sie jungen Frauen, die vor der Berufswahl stehen und unbedingt Autorinnen werden wollen?
Das, was ich jedem jungen Menschen raten würde, der sich für einen künstlerischen Beruf entscheiden möchte. Immer auch ein möglichst solides Handwerk zu erlernen, das einen ernährt. Alles andere bleibt für die meisten Menschen eine Illusion. Natürlich können einige Autoren und Schriftsteller vom Verkauf ihrer Bücher leben, aber es sind doch vergleichsweise wenige.

An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?
Zur Zeit versuche ich das Manuskript meines dritten Romans unterzubringen. Es ist kein ausgesprochener Kriminalroman, und dann eben auch nicht zwingend ein Regionalkrimi wie mein Roman "Zwickmühle"; es gibt keine Ermittler. Darüber hinaus stelle ich gerade einen Band mit kurzen satirischen Geschichten fertig. Dann freue ich mich auf das Erscheinen einer Anthologie im Mai mit dem Titel Mörderisches Münsterland (KBV Verlag und von Jürgen Kehrer und Sandra Lüpkes herausgegeben), denn sie enthält auch eine meiner Kurzgeschichten (Gut Holz).

Haben Sie schon mal den Beruf wechseln wollen?
Ja, eine Freundin schlug vor zu tauschen. Sie wollte lieber ein freies Künstlerleben führen, anstatt weiterhin als Ärztin zu arbeiten. Und da ich eine Zeitlang gern Ärztin geworden wäre … Die Freundin hat bei näherer Betrachtung ihren Wunsch dann allerdings recht schnell wieder fallen lassen. Ist auch besser so, will sagen, für das eine wie für das andere muss man geeignet sein.

Was unternehmen Sie in Ihrer Freizeit?
Freizeit? Ach, wissen Sie, wenn ich nicht lese, um Bücher zu besprechen, dann schreibe ich. Wenn ich nicht schreibe, dann beschäftige ich mich mit Kunst, mache Bilder, denn sie sichern mir die Existenz, nicht das Schreiben. Daher würde ich sagen, Freizeit bedeutet das Spazierengehen mit meinen beiden Hunden, die Freude, mich viel in der Natur aufhalten zu können. Auch das Lesen eines guten Buches kann natürlich Freizeitgefühle erzeugen! Es gibt übrigens ‚böse’ Zungen, die behaupten, ich befände mich, was meine diversen Betätigungsfelder beträfe, in einer Art permanenter Freizeit. Ich verstehe, was sie meinen, doch sie irren sich.

Jährlich kommen zig-Tausende neuer Bücher auf den Markt. Wie kann man sich als "Normalleserin" in diesem Bücher-Dschungel zurechtfinden?
Im Grunde gar nicht. Am besten, man bewahrt die Ruhe und lebt nicht ständig in der Angst, etwas zu verpassen. Die einen Menschen suchen eine Buchhandlung auf und stöbern selbst zwischen den vielen Bücherstapeln herum (große Buchhandlung), andere lassen sich von der Buchhändlerin oder dem Buchhändler ihres Vertrauens beraten (kleine Buchhandlung). Wieder andere kaufen ihre Bücher nur nach Bestseller-Listen ein, andere nach den Empfehlungen allseits bekannter Rezensenten. Jeder, wie er möchte.
Es ist töricht von den Verlagen, jedes Jahr so viele Bücher auf den Markt zu bringen. Lange schon setzen die meisten von ihnen auf Menge, anstatt auf Qualität und den gezielten "Aufbau" seiner guten Autor(inn)en zu achten. Bei gleichzeitig schwindender Anzahl von Buchhandlungen muss das zwangsläufig in die Irre und zu einem gewissen Chaos führen. Mir tut es um die Autoren leid, deren Bücher wirklich lesenswert wären, die aber aus verschiedenen Gründen keine Chance auf dem Markt bekommen (Lektoren bezeichnen sie gern als ‚Nischenliteratur’, die angeblich zu wenige Leser erreicht).

Welche Perspektiven sehen Sie für sich im Alter? Bzw. wie wollen Sie ihr Alter gestalten?
Ich kann mir gut vorstellen, mein Alter in der Gesellschaft anderer älterer Menschen zu verbringen. Sie sollten freundlich, respekt- und humorvoll sein. Eine solche (Wohn-) Gemeinschaft zu finden halte ich durchaus für eine gute Perspektive, aber auch für eine regelrechte Aufgabe. Man hofft zwar immer, so lange wie möglich fit und mit seinem Lebenspartner zusammenbleiben zu können, wenn man einen hat, aber auch zu zweit macht es Sinn, sich rechtzeitig in eine Gemeinschaft einzubringen, bzw. eine mitzubegründen. Und das ist mitunter gar nicht einfach. Vor wenigen Jahren habe ich ein solches Projekt mitverfolgen können. Die Idee war da, es gab anfangs unendlich viele begeisterte Interessenten, achtzig für ein einziges Projekt! Letztlich war aber weder ein passendes Wohnobjekt zu finden gewesen, noch waren die verschiedenen Wünsche und Vorstellungen der älteren Herrschaften unter einen Hut, besser: unter ein Dach zu bringen gewesen. Noch nicht einmal in einem wesentlich kleineren Rahmen. Ziemlich frustriert ist man schließlich auseinandergegangen. Es sind immer noch sehr viele Menschen gewohnt, eine Menge Platz zur Verfügung zu haben, entsprechend schwer fällt es ihnen, dann darauf zu verzichten. Eine Beschränkung oder positiver ausgedrückt: Konzentration auf das Wichtigste, auch die Disziplin, sich selbst zurückzunehmen, gehört schon dazu, um solche Projekte erfolgreich zu realisieren. Glücklicherweise höre ich auch immer wieder von funktionierenden (Alten-) Gemeinschaften. Dort liegt sicher die Zukunft. Um eine solche überhaupt zu haben, müsste sich in unserer Gesellschaft aber noch eine Menge ändern, und das möglichst bald.
Die Fragen stellte Brigitte Karch

Weitere Informationen:
www.dorotheapuschmann.de

Foto: Dorothea Puschmann

(Der Link wurde am 29.03.2010 getestet.)