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Dr. Angelika Niebler: "Ich erlebe ich sehr, sehr viele engagierte und politisch aktive Frauen"

08.06.2009

Dr. Angelika Niebler (Jahrgang 1963) wurde in München geboren. Die studierte Wirtschaftsjuristin ist seit 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments seit 1999. Dort ist sie seit zwei Jahren Vorsitzende des einflußreichsten Parlamentsausschusses, nämlich des Industrieausschusses. Seit 1996 ist Dr. Niebler Mitglied des Kreistages Ebersberg, seit 1999 Vorsitzendes des mitgliederstärksten Bezirksverbandes der Frauen-Union (Oberbayern). Nun wurde sie sogar zur Landesvorsitzende der Frauen Union gewählt. Dr. Angelika Niebler ist verheiratet mit Dr. Michael Niebler, beide haben zwei Kinder, Alexander (10) und Daniel (2). Die Familie lebt in Vaterstetten bei München, Landkreis Ebersberg.

Was hat Sie dazu gebracht, sich politisch zu engagieren? Was reizt Sie an der Arbeit einer Politikerin?
In gewisser Weise ist mein Weg in die Politik typisch weiblich: Ich bin über ein gezieltes Projekt zur Politik gekommen. Es ging dabei um die Entwicklung einer Internet-Plattform für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Landkreis. Darüber habe ich die notwendigen Einblicke in die Politik erhalten und war plötzlich "mittendrin", wobei ich mich schon zuvor sehr für Politik interessiert habe.

Haben Sie politische Vorbilder?
Das ist vor allem die kürzlich verstorbene Mathilde Berghofer-Weichner, erste Justizministerin und die erste Frau überhaupt im bayerischen Kabinett. Sie hat mit Beharrlichkeit und Herzlichkeit wahre Pionierarbeit für die Frauen geleistet.

Sie sind verheiratet. Ist Ihr Mann berufstätig? Wie ist die Aufgabenverteilung in Ihrem Haushalt?
Wer erzieht die beiden Kinder?

Natürlich erziehen wir unsere Kinder gemeinsam. Wir werden dabei von einem wunderbaren Kindermädchen unterstützt: Immer dann, wenn ich in Straßburg oder Brüssel bin, weiß ich die Kinder in bester Obhut.

Wie sieht bei Ihnen ein "ganz normaler Arbeitstag" aus? Das heißt wie gelingt es Ihnen, Ihren Beruf mit Ihrer politischen Tätigkeit zu vereinbaren?
Da das Mandat im Europäischen Parlament hauptamtlich ist, bleibt für weitere berufliche Tätigkeiten so gut wie kein Raum. Ich bin noch in geringem Umfang in einer großen Wirtschaftskanzlei tätig. Was die "ganz normale"Arbeitswoche betrifft, so besteht sie von Montag bis Donnerstag aus Terminen in Brüssel oder Straßburg. Im Gegensatz zu den Kollegen des Deutschen Bundestages, bei denen sich Plenar- und Wahlkreiswochen abwechseln, ist im Europäischen Parlament jede Woche eine Parlamentswoche - entweder in Brüssel oder einmal im Monat in Straßburg. Meine Arbeitstag beginnen morgens um 7.30 Uhr oder spätestens 8 Uhr. Dann reiht sich pausenlos Gespräch an Sitzung, Besprechung an Konferenz. Das Ganze durchzieht den Tag manchmal bis in den späten Abend. Und dann heißt es, Akten bearbeiten, Unterlagen durchsehen, Vorbereitungen auf den kommenden Tag vornehmen. Ab Freitag bin ich dann normalerweise in meinem Wahlkreis unterwegs zu Terminen, Diskussionen oder zur Bürgersprechstunde. Außerdem kommen noch regelmäßig Sitzungen des Kreistages in Ebersberg hinzu. Und der verbleibende Rest gehört dann meiner Familie.

Was ist Ihnen während Ihrer politischen Arbeit bislang am besten gelungen?
Persönlich halte ich die Balance, die wir in der Familie gefunden haben, für sehr gelungen. Und mir wird von vielen Frauen auch immer wieder bestätigt, dass sie darin für sich ein Vorbild und eine Ermutigung sehen.
Politisch ist es sicher ein Erfolg, dass ich als Frau dieses wichtige Amt im Europäischen Parlament inne habe. Meinen schönsten politischen "Punktsieg" habe ich wohl mit der so genannten "Roaming-Verordnung" erzielt, die für die Verbraucher in Europa das Ende der Abzocke bei Hand-Gebühren bedeutet.

Warum engagieren sich so wenige Frauen in der Politik?
Dieser Wahrnehmung möchte ich ausdrücklich widersprechen: Wenn ich mir beispielsweise unsere Frauen-Union anschaue, erlebe ich sehr, sehr viele engagierte und politisch aktive Frauen. Und mit unseren Frauenförderprogramm, dem "Mentoring-Programm", das ich mit der Frauen-Union Oberbayern vor fünf Jahren auf den Weg gebracht habe, machen wir noch mehr Frauen Mut, vor allem den jüngeren, in die Politik zu gehen. An der Basis, in der Kommune nimmt die Zahl politisch aktiver Frauen stetig zu. In den Spitzenfunktionen fehlt es an einer repräsentativen Zahl von Frauen. Das gilt allerdings nicht nur für die Politik. In der Wirtschaft oder der Wissenschaft stoßen die Frauen ebenso an die vielzitierte "gläserne Decke". Die größten Schwierigkeiten stellen sich für Frauen in ihrer Karriere nach wie vor in der Verknüpfung von Beruf und Familie.

Macht die Politik ihre Leistungen nach außen zu wenig deutlich?
Das glaube ich nicht. Es wird nur immer schwieriger, angesichts der Vielzahl der Informationsquellen Themen vorzugeben. Insgesamt stelle ich fest, dass es deutlich einfacher ist, in den Medien mit Skandalisierungen und Aufregerthemen Aufmerksamkeit zu erregen als mit vermeintlich langweiligen Sachinformationen. In Bürgerversammlungen erlebe ich es immer wieder, dass ich aus meinem Arbeitszusammenhang Zusammenhänge schildere, wie sie wirklich sind. Dann höre ich ganz oft von meinen Zuhörern: Das wussten wir gar nicht, das erstaunt uns. Das haben wir so noch nirgends gelesen. Dann verweise ich immer auf meinen monatlichen Newsletter und mein wöchentliches Europa-Telegramm, über die jeder, der mag, sich regelmäßig und aus erster Hand informieren lassen kann.

Was unternehmen Politiker, um Politik attraktiv für junge Nachwuchskräfte zu machen?
Nachwuchsförderung ist nach meiner Einschätzung eine ganz wichtige Herausforderung für die Politik. Ich selbst habe wie bereits erwähnt daher das Mentoring-Programm der Frauen-Union auf den Weg gebracht. Da wir wissen, dass Frauen anders an die Politik herangehen, haben wir darauf reagiert und uns für eine 1:1-Förderung durch unsere erfahrenen Mandatträgerinnen entschieden. Über einen Zeitraum von 9 Monaten arbeiten diese Mentoring-Tandems nach eigenen Vorstellungen politisch zusammen. Die Mentees profitieren davon durch das Netzwerk, die Erfahrung ihrer Mentorinnen, und sie erleben, wie ein politischer Alltag wirklich aussieht. Darüber hinaus werden sie im Rahmen eines Begleitprogramms professionalisiert und gecoacht. Wenn sie mit diesen neu erworbenen Einsichten in die politische Arbeit vor Ort eintauchen, sind sie gut gewappnet und trauen sich, Verantwortung zu übernehmen.

Welche politischen frauenspezifischen Themen sind derzeit besonders aktuell?
Nach wie vor muss uns leider die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern schmerzen. Es ist nicht hinnehmbar, dass es in Europa leider immer noch die Regel und nicht die Ausnahme ist, dass Frauen für die gleiche Arbeit deutlich schlechter bezahlt werden als Männer.

Insgesamt stehen Frauen auch deshalb einkommensmäßig schlechter dar als Männer, weil sie vielfach auch in Berufsfelder tätig sind, die schlecht vergütet werden – wie die meisten sozialen Berufe.
Eine weitere politische Herausforderung ist leider auch ein "Dauerbrenner": Die Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Entwicklung. Wir haben hier zwar deutliche Fortschritte erzielt, aber die bereits erwähnte "gläserne Decke", an die Frauen - zumal Familienfrauen stoßen, ist noch existent.

Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, Politiker zu werden? Warum?
Ich weiß nicht, ob ich es ihnen ausdrücklich empfehlen würde. Ich würde ihnen nicht von einem solchen Schritt abraten. Durch Politik werden maßgeblich Bereiche unseres Lebens, unserer Gesellschaft gestaltet. Daran mitzuwirken ist eine Chance, die uns so nur die Demokratie bietet. Insofern sollte jeder, der dafür Neigung verspürt, nach seinen Möglichkeiten daran mitwirken – und auch Verantwortung übernehmen.

Was unternehmen Sie in Ihrer Freizeit?
Meine Freizeit gilt meiner Familie. Wir unternehmen ganz bewusst, wann immer möglich, kleine oder auch größere Reisen. Das gemeinsame Erleben ist mir da ganz wichtig. Daheim versuche ich so oft wie möglich mit meinen Lieben Sport zu treiben, etwas für die Gesundheit zu tun. Unternehmungen wie Kino, Theater oder Konzerte, die ich liebe, kommen gegenwärtig leider etwas zu kurz.

Würden Sie sich anders entscheiden, wenn Sie nochmals vor der Berufswahl stünden bzw. wollten Sie schon mal den Beruf wechseln?
Ein ganz klares Nein!

Welche Aufgaben möchten Sie zukünftig noch in Angriff nehmen?
Das Thema Europa liegt mir wirklich aus tiefer Überzeugung am Herzen. Mein Ziel ist es, dass dieses Europa wirklich ankommt, die Bürgerinnen und Bürger die großen Errungenschaften und Chancen zu schätzen wissen, statt sich über Kleinkram zu ärgern. Aufgabe der Politik, vor allem des Europäischen Parlaments ist es, hier nach Kräften für Transparenz und Bürgernähe und gegen überzogenen Regelungseifer zu wirken. Das tut Europa gut und kommt auch den Menschen zugute.

Haben Sie ein Lebensmotto – wie lautet es?
Auch eine große Reise beginnt mit einem ersten Schritt.

Welche Perspektiven sehen Sie für sich im Alter? Bzw. wie wollen Sie ihr Alter gestalten?
Ich hoffe, dass ich noch sehr lange ein Leben führen kann, in dem Politik eine große Rolle spielt.

Die Fragen stellte Brigitte Karch

Weitere Informationen:
www.angelika-niebler.de

(Der Link wurde am 08.06.2009 getestet.)