Der Familienbetrieb Hotel Gasthof Neuwirt in Ismaning feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Für brikada Anlass genug, Traudl Schmidramsl zu einem Interview zu bitten.
Traudl Schmidramsl entstammt einer Geschäftsfamilie in Garching, die eine Autowerkstätte mit Fahrrad- und Mopedverkauf betrieb. Im Jahr 1964 heiratete die junge Frau den Metzgermeister Max Schmidramsl, dessen Eltern den Gasthof Neuwirt mit angeschlossener Metzgerei in Ismaning führten. Traudl Schmidramsl hat es im Laufe ihres bewegten Berufslebens zu einer "g´standenen Gastgeberin" gebracht. Es ist gewiss keine Übertreibung, die Wirtin mit ausgeprägtem Willen zur Perfektion als "Grand Dame" der bayerischen Gastronomie zu apostrophieren.
Wer ihre Wesensart beschreiben will, dem fallen zwingend Attribute wie patent und umsichtig, geistreich und gemütvoll ein. Die beliebte Wirtin überzeugt durch ihre Warmherzigkeit, ihr sensibles Gespür für zwischenmenschliche Nuancen und ihren Altruismus. Sie zeigt sich mütterlich-verständnisvoll und großzügig, sie sprüht vor Humor und positiver Lebenseinstellung. Gleichwohl ist die im Sternkreiszeichen Löwen Geborene mit der in diesem Beruf unabdingbaren Portion von klarsichtiger Durchsetzungsfähigkeit ausgestattet.
Diese Wesenszüge erlauben es Traudl Schmidramsl, spontan ihr Gegenüber zu erfassen, auf dessen Wünsche und Bitten einzugehen oder zurück zuweisen, ohne dabei verletzend zu sein. Freilich fordert die tüchtige Geschäftsfrau von anderen ebenfalls Offenheit und Entgegenkommen, Gerechtigkeit und Verständnis – all dies führt dann zum vermeintlich längst verschwunden geglaubten "kaufmännischem Verhalten", bei dem ein Handschlag einem schriftlich fixierten Vertrag gleicht. Damit wird Traudl Schmidramsl zu einer Perfektionistin im Umgang mit Menschen, die sich durch ihr faires Verhandlungsgeschick allgemeiner Hochachtung erfreut.
Diese bewundernswerte Haltung stellt sie Tag für Tag im scheinbar mühelosen Umgang unter Beweis - mit Gästen, Mitarbeitern und Auszubildenden, mit Lieferanten, Firmen, Behörden und Institutionen. Dennoch ist sie selbstkritisch genug, auch mal einen Fehler einzugestehen – was ihrer Person weniger abträglich ist, sondern ihren Sympathiewert nur noch steigert.
Kurz, man sucht nicht den Gasthof Neuwirt, Ismaning, auf, nein, vielmehr geht man zuerst zu Traudl Schmidramsl und fühlt sich dann beim Neuwirt wohl – ein besseres Kompliment können Gäste "ihrer" Wirtin, Traudl Schmidramsl, kaum machen!
Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren beruflichen Werdegang.
Mit 14 Jahren begann ich eine kaufmännische Ausbildung als Industriekauffrau. Nach abgeschlossener IHK-Prüfung wollte ich mich in einem weiteren Betrieb fortbilden. Mit 18 Jahren war ich einem Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern als Sachbearbeiterin im Einkaufsbüro tätig und konnte selbstständig arbeiten. Dort lernte ich, wie knallhart Einkaufspreise eingeholt und ausgehandelt werden. Dies ist mir bis heute noch von großer Wichtigkeit – nach dem Motto "Im Einkauf liegt der Gewinn".
Als einstige Quereinsteigerin mussten Sie sicherlich viel Neues lernen?
Ja, aus Liebe zu meinem Mann erlernte ich damals den Beruf der Fleisch- und Wurstfachverkäuferin. Nach sechs Monaten harter und mühevoller Ausbildung war ich fast perfekt. Fast, denn ich konnte zwar Wurst und Fleisch verkaufen, aber kochen konnte ich noch immer nicht. Das lernte ich dann in der großen Münchner Wirtschaft "Das Weiße Bräuhaus im Tal".
Ihre Berufsbiografie zeigt, dass Sie sich laufend weiter bildeten.
Das ist mir immer wichtig gewesen. So erhielt ich die Berufsausbildungserlaubnis zum Beispiel für Haus- und Küchengehilfinnen im Gastgewerbe und legte 1972 die Ausbildereignungsprüfung ab. Damit durften wir den Berufsnachwuchs ausbilden. Seit 1972 sind in unseren Betrieben Auszubildende nicht mehr wegzudenken. Jährlich werden etwa drei bis vier Lehrlinge bis zur erfolgreichen IHK-Prüfung begleitet. In über 30 Jahren haben wir ungefähr tausend jungen Fachkräften den Weg ins Berufsleben frei gemacht.
Sie engagieren sich auch auf Verbandsebene?
Viele Jahre konnte ich mich als Mitglied im Schulbeirat der Städtischen Berufsschule für das Hotel-, Gaststätten- und Braugewerbe, München, einbringen und mich dort für das duale Ausbildungssystem engagieren. Derzeit wirke ich bei der Arbeit des Ausschusses der Tarifkommission des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes e.V. (BHG) mit. Zudem bin ich seit 25 Jahren Mitglied im BHG-Berufsbildungsausschuss, eine Arbeit, die mir viel Einblicke branchenspezifische Belange ermöglicht.
Welches sind hier im Unternehmen Ihre wichtigsten Aufgaben?
Ich kümmere mich vorwiegend um das Marketing in unserem Gasthof zum Neuwirt sowie um alle anstehenden Personalfragen. Wichtig ist für mich die Akquisition von Feierlichkeiten und Familienfesten. So gelang es mir unter vielem anderen, mit neuen Ideen die "Hochzeitstage" ins Leben zu rufen. Dabei gelang es mir, 15 Jahre lang viele Menschen außerhalb unseres Betriebes in Arbeit und Brot zu bringen, angefangen von Blumenhändlern bis hin zu Kerzen- und Geschirrherstellern. Dies und viele, viele andere Dinge sind die eigentlichen Aufgabenbereiche, in die ich als "kleine Wirtin" hinein gewachsen bin, und die ich im Laufe der Jahre mit Herzblut erfolgreich aufgebaut habe.
Haben Sie bei all ihren Aufgaben noch Zeit für Freizeit?
Nein, eigentlich nicht. Mir fehlt auch keine Freizeit, weil ich genau betrachtet niemals Freizeit hatte. Nicht einmal fürs Kranksein habe ich freie Zeit (lacht). Andererseits würde ich gerne mal eine Bildungsschiffsreise unternehmen. Der ganz große Stress hat für mich ohnehin nachgelassen, vor allem, weil man Sohn Max mich sehr beim Tagesgeschäft unterstützt und meine Schwiegertochter Angelika, die als Bürokauffrau mit Ausbilder-Erlaubnisprüfung die Aufgaben im Rezeptionsbereich und am PC erledigt. Mein einziges "Freizeit-Hobby" (schmunzelt) ist Mode, mich fasziniert elegante Kleidung.
Was raten Sie jungen Frauen, die vor der Berufswahl stehen?
Auf jeden Fall sollten junge Frauen, bevor sie einen Beruf ergreifen, eine Schnupperlehre machen. Sich eingehend über das Berufsbild informieren und die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen. Am besten wäre es, wenn sie noch während der Schulzeit eine entsprechende Probezeit absolvieren oder ein Praktikum machen würden, um sich dann für einen Beruf zu entscheiden. Selbst wenn man nicht in dem gewählten Beruf, also zum Beispiel als Bedienung, Köchin oder Verkäuferin in der Metzgerei bleiben möchte, bedeutet dies noch lange keine berufliche Einbahnstraße. Es stehen Berufe wie Hotelfachfrau oder Mitarbeiterin im Catering-Bereich offen. So suchen beispielsweise Fluggesellschaften, aber auch Krankenhäuser gut ausgebildetes Personal aus der Gastronomie.
Würden Sie rückblickend einen anderen Beruf ergreifen?
Ich habe es nie bereut, in diesen Beruf eingestiegen zu sein; denn der Umgang mit Menschen – auch mitunter mit schwierigen Zeitgenossen – ist eine Herausforderung, gibt einem jedoch viel Selbstbewusstsein und erfüllt einen mit Stolz.
Was bedeutet für Sie der Wirtinnen-Beruf?
Wirtin zu sein, bedeutet für mich Erfüllung und Glück. Da vergisst man den Verlust der Freizeit.
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Humor – das ist das Wesentlichste für mich. Auch habe ich stets nach dem Motto gelebt: mein Gästekreis ist auch mein Freundeskreis. Dazu zählen ebenso befreundete Wirtinnen.
Abschließend eine ganz persönliche Frage: Welche Perspektiven sehen Sie für sich im Alter? bzw. wie wollen Sie ihr Alter gestalten?
Nun, ich wünsche mir, noch lange mit Fröhlichkeit und Humor meine Gäste begeistern zu können. Sicherlich werde ich meinen Lebensabend in unserem schönen Jagdhaus in den Bergen mit viel Zeit zum Lesen verbringen. Ich hoffe, dass ich dort nicht alleine sein muss, sondern möglichst einige Freunde um mich herum haben werde.
Das Gespräch führte Brigitte Karch
Weitere Informationen:
www.hotelamschlosspark.de
www.dagusta.de
(Die Links wurden am 06.09.2008 getestet.)