
Am Samstag, 26. Dezember 2009 um 18.55 Uhr im Bayerischen Fernsehen und um 20.05 Uhr im Hörfunk auf Bayern 1. Barbara Stamm blickt in ihrer Rede zurück auf ein schwieriges Jahr 2009, das auch in Bayern geprägt war von der weltweiten Wirtschafts- und Bankenkrise. Unternehmen mussten schließen, Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. Was das bedeutet, hat Barbara Stamm aus vielen Briefen von Betroffenen erfahren. Ihre Botschaft: "Wir, die wir in politischer Verantwortung stehen, ringen um bestmögliche Lösungen. Aber es gibt nicht immer einfache Patentlösungen." Die Landtagspräsidentin fordert die Menschen in Bayern auf, trotz aller Probleme mit neuem Mut und Zuversicht das Jahr 2010 zu beginnen.
Die Rede im Wortlaut:
"Guten Abend, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!
Ich grüße Sie sehr herzlich und hoffe, dass Sie ein friedliches und gesegnetes Weihnachtsfest feiern konnten.
Die vor uns liegenden Tage zwischen den Jahren sind meistens etwas ruhiger und beschaulicher als die Zeit vor Weihnachten. Man verbringt sie gerne miteinander, in der Familie und mit Freunden. Es sind Tage, die ablenken von persönlichen Sorgen und Schicksalsschlägen.
Ich habe in diesem Jahr viele Briefe erhalten von Menschen, die mir geschrieben haben, wie es ihnen und ihren Familien derzeit ergeht. Wie es ist, wenn fest eingeplantes Geld ausbleibt, mit dem man Schulden oder Hypotheken tilgen wollte. Oder auch, wie sich Eltern fühlen, die ihren Kindern nicht das bieten können, was für andere selbstverständlich zu sein scheint.
Eine junge Frau schilderte mir in wenigen Worten, was es heißt, von der Grundsicherung leben zu müssen, seit ihre Mutter den schwer kranken Vater zuhause pflegt: "Urlaub machen, abends mal Essen gehen, in die Eisdiele, ins Kino oder ins Schwimmbad – geht nicht. Im Januar schon wieder für Weihnachten sparen müssen. Freundschaften erhalten wird schwierig, weil man nicht mehr mithalten kann."
Wenn man solche Sätze liest und weiß, dass dies kein Einzelfall ist, dann spürt man besonders deutlich, welche Verantwortung wir tragen – in der Politik, in der Gesellschaft, besonders auch in der Wirtschaft.
Wie war dieses Jahr 2009, das nun zu Ende geht?
Es war für uns sicher kein leichtes Jahr. Die weltweite Wirtschafts- und Bankenkrise hat auch in Bayern dazu geführt, dass Unternehmen schließen mussten und dass Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben oder sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen mussten.
Es ist wahr: In unserer stark leistungsbezogenen Gesellschaft definiert sich das Selbstverständnis vieler Menschen in großem Umfang über die Arbeit. Wer einem Beruf nachgeht, erfährt Selbstbestätigung: Ich gehöre dazu, ich werde gebraucht, ich bin ein Mitglied der Gesellschaft.
Auch von außen wird die soziale Anerkennung eines Menschen besonders davon bestimmt, ob und wie der einzelne den Lebensunterhalt für sich und seine Familie sicherstellen kann.
Aber so wichtig die Arbeit auch ist – der Wert eines Menschen erschöpft sich nicht allein in seiner Rolle als Arbeitskraft oder als Konsument. Gerade auch ältere Menschen, die sich im Ruhestand befinden, erwarten zu Recht Anerkennung für ihre lange Lebensleistung.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes. Das bedeutet: Sie kann weder erworben noch aberkannt werden. Sie hängt vor allem nicht davon ab, ob ein Mensch jung oder alt, arm oder reich, gesund oder krank, berufstätig oder arbeitslos ist.
Jeder Mensch muss die Chance erhalten, seine Persönlichkeit zu entfalten und sich Wissen und Können anzueignen, die ihn zum Leben in der Gesellschaft befähigen. Bildung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das eigene Leben gelingt und dass sich der Einzelne als Teil einer Gemeinschaft sieht, für die er sich verantwortlich fühlt.
Und: Bildung sichert auch den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. In den kommenden Jahren brauchen wir viele qualifizierte Frauen und Männer, damit deutsche Unternehmen wieder wettbewerbsfähig sind. Bildung und Ausbildung sind deshalb für mich die wichtigsten sozialen Herausforderungen der kommenden Jahre.
Niemand darf fallen gelassen werden. Jedes Kind, jeder Jugendliche hat das Recht, so gefördert und gefordert zu werden, wie es seiner Persönlichkeit und seinen Begabungen entspricht, unabhängig von seiner Herkunft, seinem kulturellen Hintergrund oder den Lebensbedingungen der Eltern – übrigens auch unabhängig davon, ob der Junge oder das Mädchen eine Lernbehinderung oder sonstige Handicaps hat oder nicht.
In jedem jungen Menschen steckt ein Potential, das wir entwickeln müssen – zum Teil auf unterschiedlichen Wegen. Das sind wir jedem Einzelnen schuldig – denn das Recht auf Bildung ist vor allem auch eine Frage der Menschenwürde.
Das bedeutet für uns alle, die in dieser Gesellschaft Verantwortung tragen, dass wir uns dafür interessieren müssen, was in unseren Schulen, Hochschulen und Universitäten vor sich geht.
Denn dabei geht es schlichtweg um die Frage, wie wir unsere gemeinsame Zukunft gestalten wollen, und ob unsere Gesellschaft zusammenhält oder gespalten wird.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wir alle spüren, dass es wieder aufwärts gehen muss und wird. Ich kann Ihnen versichern, dass wir, die wir in politischer Verantwortung stehen, stets um bestmögliche Lösungen ringen. Aber es gibt nicht immer einfache Patentlösungen. Das zeigt auch die Vertrauenskrise gegenüber Bank- und Wirtschaftsmanagern. Bis vor kurzem schienen sie noch allmächtig zu sein. Ich bitte Sie deshalb, mit neuem Mut und mit Zuversicht das Jahr 2010 zu beginnen. Dazu wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen alles Gute, viel Erfolg und Gottes Segen. Meine besonderen Wünsche begleiten diejenigen, die viel Kraft brauchen, um Krankheit und persönliches Leid zu überwinden."
Weitere Informationen:
www.bayern.landtag.de
Bildtext: Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Foto: Bildarchiv Bayerischer Landtag
(Der Link wurde am 26 12.2009 getestet.)