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Carmen Wulf untersuchte deutschsprachige Schlager über Liebe

30.07.2008

Auch wenn es verwunderlich erscheinen mag: Schmachtige Schlager können durchaus ein vielschichtiges und tiefgründiges Forschungsthema sein. "Sie sind Indizien für soziokulturelle Strömungen und Entwicklungen, vor allem was die Bedeutung von Emotionen angeht", sagt die Oldenburger Psychologin Carmen Wulf.

In ihrer soeben veröffentlichten Dissertation "Historischer Wandel von Liebesvorstellungen" hat sie 136 populäre deutschsprachige Liebeslieder aus zwei Zeitspannen (1967-1970 und 2001-2005) miteinander verglichen und analysiert. Praktisch alle namhaften Interpreten sind vertreten: von Peter Alexander, Roy Black, Gitte & Rex bis zu den Ärzten, Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo und Tokio Hotel. Wulf stellt fest, dass sich anhand der Songs überraschend viele soziologische und psychologische Thesen zum Wertewandel und zum Wandel unserer emotionalen Kultur bestätigen lassen: "Die Romantisierung der Liebe ist in den heutigen Liedern viel stärker ausgeprägt als früher", so Wulf. Dabei scheint das Thema heute mit viel mehr Ernst und auch mit negativen Gefühlen verbunden zu sein. In keinem der älteren Lieder spielt das Thema Liebeskummer eine Rolle, in den aktuelleren Hitlisten kommt es dafür häufig vor.

"Klipp und klar sag ich Dir / keiner liebt Dich wie ich", sang 1970 Vicky Leandros - "Bitte gib mir nur ein Wort", flehte dagegen 2005 Judith Holofernes von "Wir sind Helden": Ein Liebesgeständnis ist heute offenbar mit größeren Schwierigkeiten verbunden als in den späten 60er Jahren. Eine Erklärung, so Wulf, sei ein höheres Sicherheitsbedürfnis: "Man hält so lang mit den eigenen Gefühlen hinter dem Berg, bis man sich ganz sicher ist, dass diese auch erwidert werden."

Von absoluter Gefühlskontrolle und emotionaler Coolness, wie sie manche Soziologen und Psychologen prognostizieren, könne man aber in Hinblick auf die Liebe nicht sprechen. Für das Liebesverständnis in den aktuellen deutschen Songs spielten Aspekte wie Schutz, Zuversicht und Geborgenheit eine große Rolle, und man habe eine klare Vorstellung davon, was Liebe leisten solle. In den Texten der späten 60er Jahre werde mit dem Thema spielerischer umgegangen, so die Psychologin.
Quelle: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Weitere Informationen:
www.uni-oldenburg.de

(Der Link wurde am 30.07.2008 getestet.)

Bild: Carmen Wulf