Doch wann beginnt sie eigentlich wirklich, die schwäbische Hochzeit? Nun, romantisch betrachtet schon eine geraume Zeit vorher, genauer gesagt mit dem Fangen des Brautstraußes auf einer anderweitigen Hochzeit. Dies vermag im besten Falle der ersehnte Hinweis auf die eigene Vermählung sein.
Für die Brautleute der damaligen Zeit war „Hochzeiten“ eine spannende, aber auch von Bräuchen, Aberglauben und festen Regelungen durchdrungene Zeit. Mit dem Willen zur Heirat kam gleich zu Anfang eine nicht unbedeutende Hürde auf das junge Paar – insbesondere dem Verlobten - zu: Das Anhalten um die Hand der Geliebten beim künftigen Schwiegervater. Dieser war für den Bräutigam zumindest anfangs fast noch wichtiger zu nehmen als die Braut selbst, denn: Ohne das Einverständnis des Brautvaters konnte gewöhnlich nicht geheiratet werden. Der junge Bräutigam tat also gut daran, durch einen anvertrauten Freund oder Verwandten beim Brautvater um jene zu werben und sich dessen Segen abzuholen. Ein Umstand, der auch in der heutigen Zeit noch so manch respektable Beachtung findet.
Auch das übliche „Bsehn“ (Besehen) der Braut würde heutzutage bei so manch angehender Ehefrau Stirnrunzeln auslösen: Heiratete früher ein Bauer etwa in Haus und Hof ein, so war es neben dem Aushandeln der Mitgift und Übernahmesumme durchaus üblich, den gesamten Besitz einschließlich der Wiesen und Felder erst einmal zu besichtigen.
War dann die Vermählung erst einmal beschlossene Sache, wurde gewöhnlich der „Hochzeitsläder“ beauftragt. Dieser vermochte die Hochzeitsgäste mit einem zünftigen Spruch zur Feier einzuladen und übernahm auch während des Festes verschiedene Dienste, wie die Betreuung der Gäste, das Einweisen der Plätze oder das Ordnen des Hochzeitszuges. Bis heute werden mancherorts noch die Dienste eines Hochzeitsladers genutzt. Für den Rest der angehenden Brautleute – und dies sei die große Überzahl – mag das Versenden edler Einladungskarten die praktikablere und wohl auch machbarere Lösung sein.
Womit wir uns auch schon dem gemeinsamen Hausstand der damaligen Zeit annähern: Vor der Hochzeit gab es schlichtweg keinen. Erst zur Eheschließung wurde von den Brautleuten ein neuer Hausstand gegründet. Jedes Bettzeug, jede Tasse zählte. Besondere Bedeutung fiel hier der Braut zu: Im festlich geschmückten Brautwagen brachte sie die wichtige Aussteuer für das neue Zuhause mit: Neben Schrank, Bett oder Kommode fand sich auch ein Spinnrad, Geschirr oder Wäsche auf dem mit Blumen und Bänder ausstaffierten Wagen ein.
Der Junggesellenabschied war in der Tat noch ein Abschied der Junggesellen. Während der künftige Gatte mit seinen Freunden im Gasthaus seine letzen Tage als ungebundener Mann feierte, durfte die Verlobte derweilen ihre Jungfräulichkeit im stillen Kämmerlein betrauern.
Mit dem traditionellen Polterabend vor der Hochzeit nahm der Abschied vom alten Lebensabschnittes seinen Höhepunkt. Bis heute ist uns dieser sehr alte Brauch aus vorchristlicher Zeit erhalten geblieben: Durch das Zerschlagen von altem Porzellan oder Steingut werden für die Brautleute böse Geister vertrieben. Doch Vorsicht: Auf keinem Fall darf Glas zerschlagen werden, dies gilt bis heute als ein Zeichen des Unglücks.
Der Hochzeitsmorgen im Schwabenland beginnt mit dem „Einholen der Braut“ – einer beliebten Tradition, in der die Braut vom Bräutigam zur Kirche gebracht wird. Waren es in früherer Zeit oft ein großes Gefolge an Wagen oder Reitern, die dem Bräutigam folgten, so nimmt auch heute noch der festlich geschmückte Hochzeitswagen eine große Bedeutung ein. Bis zu jenem Zeitpunkt - und das ist bis heute so geblieben - sollte der Bräutigam seine Braut im Brautkleid nicht gesehen haben. Und noch ein weiterer, alter Brauch aus der viktorianischen Zeit ist erhalten geblieben: Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues sollte in die Brautausstattung eingearbeitet sein.
Es soll übrigens noch immer die eine oder andere Braut geben, welche ihre Brautschuhe mit Pfennigen bezahlt. Hintergrund ist eine alte Tradition, nach der die Bräute von Kindheit an Pfennigstücke sammeln, um ihre Brautschuhe zu bezahlen, was als Zeichen der Sparsamkeit gerade bei den Schwaben gilt.
Ausstellungsinformation:
Wer ist schwäbisch? Was ist schwäbisch? Und warum überhaupt? Diesen Fragen spürt die Große Landesausstellung „Die Schwaben. Zwischen Mythos und Marke“ nach. Dabei präsentiert sie Klischees und Widersprüchliches rund um den Schwabenbegriff.
Vom 22. Oktober 2016 bis 23. April 2017 wird vor dem Hintergrund von fast 2.000 Jahren Kulturgeschichte der Wandel vielfältigster Schwabenbilder erkennbar, der sich bis heute fortsetzt.
Weitere Informationen:
www.landesmuseum-stuttgart.de
Titelbild: Altes Schloss Türme. Foto: © H._Zwietasch, Landesmuseum Württemberg