Lesesonntag: Sinnlich, verletzlich, selbstbewusst - Frauen im schillernden Reichtum ihrer Charaktere sind das dominante Thema der Plastiken der Wiener Manufaktur Friedrich Goldscheider. Zwischen 1885 und 1938 bringt die Firma rund 10.000 Modelle auf den Markt – ausgeführt meist in Keramik, daneben auch in Metall und Kunststein.
Bildtext (l.): „Dreispitz“ / wohl Lissi Arna, dt. Schauspielerin / Stephen Dakon / um 1927 / 32,5 cm. Fotografin: Margret Hoppe. Grassi Museum für Angewandte Kunst
Sie treffen den Geschmack eines großen Publikums. Bündeln in sich Sehnsüchte, Leichtigkeit, Eleganz und Glamour. Führen in Grenzbereiche zwischen Kunst und Kitsch, in das Zwielicht von
Tanz, Theater, Film und mondänen Leben. Das Unternehmen mit seinen Niederlassungen in Leipzig, Paris und Florenz beteiligt sich erfolgreich an großen Ausstellungen und Messen. Innovative technische Verfahren, Variationen in Material, Größe und Bemalung, vor allem aber ein sicheres Gespür für den Zeitgeist sichern der Goldscheider-Serienware weltweite Popularität und Verbreitung.
Goldscheider in Leipzig
Leipzig ist für die Wiener Manufaktur ein wichtiger Ort für den Vertrieb. Bereits 1887, zwei Jahre nach der Firmengründung, stellt Goldscheider erstmals auf der Leipziger Messe aus. Bald darauf beginnt die Firma beim Leipziger Musterschutzamt ihre Erzeugnisse anzumelden. Als mit dem „Städtischen Kaufhaus“ das erste Mustermessehaus der Welt entsteht, sichert sich Friedrich Goldscheider am Neumarkt/Ecke Gewandgässchen ein geräumiges Erdgeschoss-Ladengeschäft in bester Lage, das zur Ostermesse 1894 erstmals genutzt wird. Im Gegensatz zur auf die Messezeiten beschränkten Nutzung der meisten Räume des Hauses ist Goldscheider ganzjährig präsent. Das „große, hohe und helle Local“ gleiche einer „Kunstausstellung nach Inhalt und Arrangement“ und sei das „Sensationsstück“ der Messe, heißt es sogleich in der Presse.
Bildtext (r.): „Blonder Traum“ / Lilian Harvey, britische Schauspielerin und Tänzerin / Stephan Dakon / um 1932 /32 cm. Fotografin: Margret Hoppe. Grassi Museum für Angewandte Kunst
Alle Innovationen der Firma sind hier zu sehen: 1904 die figuralen Objekte für elektrische Beleuchtung, 1905 die ersten „Fayencen“. 1913 erhält das Unternehmen die Goldmedaille der Internationalen Baufach-Ausstellung Leipzig. An der großen Schau „Europäisches Kunstgewerbe 1927“ im Grassimuseum ist es als Teil der österreichischen Auswahl vertreten. Als Marcell Goldscheider eine eigene Firma gründet, stellt auch diese in Verbindung mit dem österreichischem Werkbund zur Frühjahrsmesse 1929 in der Pfeilerhalle des Grassimuseums aus. Mit dem Nazi-Regime kommt das schrittweise Aus für das jüdische Unternehmen Goldscheider. 1935 muss das Geschäft im Städtischen Kaufhaus abgegeben werden. 1938 wird im Zuge der Arisierung des Wiener Stammhausesn auch die Leipziger Niederlassung amtlich gelöscht.
Zur Ausstellung
Zwei Säle des Museums bieten den Rahmen für eine Inszenierung erlesener Goldscheider-Figuren. In der Orangerie gibt eine frei stehende, monumentale Schauwand die Bühne für die großformatigen „Terrakotten“ des Orientalismus und Jugendstils. Die Vitrinen der Zackenstil Pfeilerhal le hingegen sind den kleineren, meist vom Geist des Art déco geprägten „Fayencen“ vorbehalten. Vergleichsobjekte aus anderen Manufakturen, eine Fotoarbeit von Margret Hoppe, eine Filmcollage von Emanuel Mathias sowie die interaktive Tanzstunde „Move your body“ (schnellebuntebilder/ Fabiana Regina de Lima) setzen Akzente.
(Quelle: Grassi Museum für Angewandte Kunst)
Bildtext (r.): „Blauer Engel“ / Marlene Dietrich, dt. Schauspielerin / um 1935 / 27 cm. Fotografin: Margret Hoppe. Grassi Museum für Angewandte Kunst
Weitere Informationen:
www.grassimuseum.de
Titelbild (v.l.): „Dreispitz“ / wohl Lissi Arna, dt. Schauspielerin / Stephen Dakon / um 1927 / 32,5 cm. Fotografin: Margret Hoppe. - „Blonder Traum“ / Lilian Harvey, britische Schauspielerin und Tänzerin / Stephan Dakon / um 1932 /32 cm. Fotografin: Margret Hoppe. - „Blauer Engel“ / Marlene Dietrich, dt. Schauspielerin / um 1935 / 27 cm. Fotografin: Margret Hoppe