Erstmals präsentieren die Häuser der „MuSeenLandschaft Expressionismus“ in Bernried, Penzberg, Kochel und Murnau ein gemeinsames Schwerpunktthema: Hinterglasmalerei.
„Das Blaue Land hinter Glas“ widmet sich dieser Kunstrichtung mit faszinierenden Exponaten. Sie reichen von einem schlesischen „Nonnenspiegel“ (Buchheim-Museum) aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zu Arbeiten der in Düsseldorf lebenden Künstlerin Gaby Terhuven. Ihre Werke (Schlossmuseum Murnau) wirken wie flüchtige Lichtspiele im Raum und becircen mit hohem Weißanteil und in zarten Farben gehaltenen Streifen auf hintereinander liegenden Glasplatten jeden Betrachter.
In den „Olymp“ des Expressionismus gelangte die Hinterglasmalerei im frühen 20. Jahrhundert u.a. durch Künstler des „Blauen Reiters“ wie Gabriele Münter und ihrem Lebensabschnittsgefährten Wassily Kandinsky. Franz Marc, Alexej von Jawlensky und Heinrich Campendonk widmeten sich ebenfalls dieser Maltechnik. Sie entdeckten und schätzten traditionelle bayerische Hinterglasmalerei allein schon wegen der strahlenden intensiven Farben, die im Oberland ja 1:1 in der Natur vorkommen (zumal bei Föhnwetter).
[caption id="attachment_11012" align="alignright" width="300"] Traditionell kräftige Farben hat Gabriele Münter für „Mann im Sessel“ von 1913 gewählt. Die im Gemälde dargestellte Einrichtung Gabriele Münters Wohnzimmers wird in einem Arrangmennt ausgewählter Objekte und Hinterglasbilder vor einer grünen Wand anschaulich. Gabriele Münter: Mann im Sessel (Paul Klee), 1913, Öl auf Leinwand, 95 x 125,5 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen München, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne © VG Bild Kunst Bonn, Foto: Blauel Gnamm - ARTOTHEK[/caption]Leuchten und Strahlen sind charakteristisch für Hinterglasmalerei. Weshalb das Museum Penzberg, Sammlung Campendonk, unter dem Motto „Tiefenlicht“ 76 Beispiele für das Phänomen des ungewöhnlichen Glanzes dieser künstlerischen Technik der klassischen Moderne zeigt. Das Spektrum reicht von August Macke, Walter Drexel und natürlich Heinrich Campendonk bis Gerhard Richter. Erfreulicherweise zeigen zeitgenössische Künstler lebhaftes Interesse für Hinterglasmalerei.
Penzberg eröffnet den Spielraum dieser Kunst von einer grafischen Technik bis zur reinen Farbkomposition von ungeahnter Leuchtkraft. Mit Lichtkästen, Videoarbeiten und Rauminstallationen betritt die Hinterglasmalerei die Zukunft.
Es ist in der Tat erstaunlich, welche Impulse die einst ländliche naive Hauskunst aus Bayern, Böhmen und Schlesien im 19., 20. Jahrhundert und 21. Jahrhundert anstößt. Ein Beispiel sind Franz Marcs „Landschaft mit Tieren und Regenbogen“ von 1911 und die nach diesem Motiv entstandene Stickerei von Maria Marc. Beide Werke sind in Gegenüberstellung im Buchheim-Museum zu sehen.
Im Buchheim-Museum können sich die Besucher an den Wochenenden mit fachlicher Betreuung selbst in dieser spannenden Technik versuchen.
Das Rahmenprogramm „Das Blaue Land hinter Glas“ bietet jede Menge Mitmach-Möglichkeiten. Hier ein paar Höhepunkte: Anlässlich der Langen Nacht der Museen am 14. Oktober laden die vier Museen zu Workshops im Münchner Info Point der Museen und Schlösser in Bayern ein. Im Schlossmuseum Murnau dürfen sich Kinder von 6 bis 14 Jahren am 9. Dezember in einer Adventswerkstatt künstlerisch versuchen. Während der Weihnachtsferien am 3. Januar 2018 entwerfen und gestalten Kinder ab 7 Jahren und Erwachsene ihr eigenes Hinterglasbild, inspiriert von orientalischen Märchen.
Regen Zuspruch verdient der Kurs von Katrin Bach „Über Nonnenspiegel und Zirkusschweine – Klerikale Kollisionen“ am 1. November im Buchheim-Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See. Autorin: Doris Losch
[caption id="attachment_11011" align="alignleft" width="254"] Lothar-Günther Buchheim: Bimbina und Kompanie – die Zirkusschweine, 1945/46, Hinterglasbild aus einer sechzehnteiligen Serie, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, © 2017 Buchheim Stiftung[/caption] [caption id="attachment_11014" align="alignright" width="236"] In diesem aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammenden schlesischen „Nonnenspiegel“ konnten sich Nonnen, denen ja jegliche Eitelkeit untersagt war, unter dem Vorwand frommer Andacht an den von Malerei freien Rändern bewundern. Hinterglasbild (»Nonnenspiegel«) Schlesien, 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See © 2017 Buchheim Stiftung[/caption]Weitere Informationen: www.museum-penzberg.de www.buchheimmuseum.de www.franz-marc-museum.de www.schlossmuseum-murnau.de
Titelbild (r.): „Lichtungen“ heißt dieses Werk von Gaby Terhuven, eine pastellig-zarte Interpretation der Malerei auf Glas. Gaby Terhuven: G 1/17b, 2017, Öl auf Glas, 218 x 160 cm © Gaby Terhuven 2017