Wer sie auf einem Wochenmarkt trifft, wird fasziniert vom Inhalt ihres Einkaufskorbs einen Moment länger als üblich hinschauen und rasch entspinnt sich ein Gespräch, das aufhorchen lässt.
Denn Katrine Lihn ist praktizierende Gastrosophin. Gastro-wie? Gastrosophie ist eine wenig bekannte Disziplin der Philosophie, die sich nicht nur mit Kulinarik und der Frage beschäftigt, wie Produkte wohlschmeckend zubereitet werden oder welcher Chef de Cuisine den Küchenzauber am besten beherrscht, sondern vielmehr mit allem, was in Zusammenhang mit unserer Nahrung steht.
Doch Katrine Lihn ist keine Theoretikerin in einem Vorlesungssaal, vielmehr geht es ihr um das persönliche Erleben von gastrosophischen Prinzipien und Gedanken, die sie als Gastgeberin mit großer Leidenschaft näherbringt. In ihrem Potsdamer Genuss Salon empfängt sie bis zu zwölf Gäste, bekocht und umsorgt sie, lacht und diskutiert mit ihnen. Denn darum geht es bei ihrer praktizierten Gastrosophie: Lustvolle Sättigung und geistiger Austausch. „Das Essen dient als Seelenöffner“, erläutert die 54-Jährige. „An meiner Tafel sitzen Heiterkeit, Interesse, Hoffnung, Vergnügen, Dankbarkeit, Inspiration, Ehrfurcht und Liebe – das ganze Spektrum menschlicher Emotionen.“ Eine Seltenheit in digitaler Zeit, in der Menschen unter dem Quotienten „Matching Points“ betrachtet und wieder weggeklickt werden.
Gekocht wird ganz nach Jahreszeit, die Produkte kommen aus der Region, viele von unabhängigen Landwirten und Kaufleuten, die mit Sorgfalt und Verantwortung walten. Denn auch darum geht es bei der Gastrosophie: Der Frage, woher unser Essen kommt und unter welchen Bedingungen für Mensch, Tier und Umwelt es produziert wird. Und um Tischkultur. Nein, nicht die strengen Regeln nach Knigge, sondern das miteinander am Tisch sitzen, sich auf Gespräche und Meinungen einlassen. Aber mit ein wenig mehr Großzügigkeit als es ein hungriger Magen zulassen würde. Auch dies ist ein Aspekt der Gastrosophie: Die Frage, was Nahrung und Genuss mit unserem Körper anstellen und in unserem Geist auslösen.
Nachdem der Aperitif den Geist geweckt hat, die Vorspeise die Sinne inspirierte und der Hauptgang nun ein wohliges Gefühl von der Magengegend ausstrahlt, kann sich die Gastrosophin gehaltvollen Fragen zuwenden – der politischen Dimension ihrer Disziplin.
Denn mit unseren Entscheidungen im Supermarkt oder dem Hofladen folgen wir den Gesetzen der Lebensmittelindustrie oder zwingen sie zum Umdenken: Fertignahrung, aus industrieller Massenproduktion oder vom Demeter-Biohof und natürlich das Dauerreizthema Fleisch oder ganz ohne? Wofür plädiert die Gastrosophin? „Für den verantwortungsbewussten, respektvollen Umgang mit allen Produkten. Wenn Fleisch, dann nur aus artgerechter Haltung. Fragen Sie Ihren Fleischer - ja, die gibt es tatsächlich noch - woher das Tier kommt und wie es aufgezogen wurde. Und wenn Fleisch, dann nicht nur das Filet, sondern vom Ohr bis zum Schwanz als schmackhafter Braten oder Ragout.“ Ein Herz für Vegetarier und raffinierte Fleisch-Alternativen hat die Gemüseliebhaberin jederzeit und kocht zudem in Abständen auch rein vegetarische Menüs.
Zur Sprache kommt ein weiteres gesellschaftspolitisches Thema: Die Frage nach Heimat, Identität und wie sich andere Kulturen in unsere Leitkultur integrieren oder sie prägen. „Zu deutscher Gründlichkeit schmecken indische Currys und spanische Tapas“, schmunzelt Katrine Lihn. Vor einigen Wochen hat sie für Flüchtlinge gekocht und Stullen von bestem Brot und frischer Butter geschmiert: „Essen ist auch ein Seelentröster und lässt uns das fremdartige Neue intuitiv verstehen. Gastlichkeit und Gastfreundschaft zu erweisen, ist eine sozialstiftende Praktik“, ist die Gastrosophin aus Potsdam überzeugt.
Bildunterschrift (l.): Katrine Lihn
Noch ein köstliches Dessert und dann heißt es für die Gesellschaft des Genuss Salons Abschied nehmen. Aus Fremden wurden Freunde auf Zeit, verbunden hat sie die Geselligkeit und das Gespräch, das Katrine Lihn wie selbstverständlich als Mit-Gastgeber bezeichnet. Schnell ein Blick in den Terminkalender und man verabredet sich zum nächsten gemeinsamen Genuss Salon – diesmal vielleicht bei einem der Teilnehmer Zuhause in Berlin? Denn auch diese Kultur des wandernden Salons praktiziert Katrine Lihn. Wer aber „Sanssouci“ auf dem Teller schmecken möchte, der nimmt den Weg zu Katrine Lihn in ihren Potsdamer Genuss Salon. Und wem der Heimweg zu weit ist, der übernachtet im nahegelegenen „Boardinghouse Waveboard“ am Tiefen See, das eine Freundin des Genuss Salons betreibt. Genuss verbindet eben über den Moment hinaus.
(Quelle: deutschmann-kommunikation – nina deutschmann)
Weitere Informationen:
www.katrinelihn.de
Titelbild: Katrine Lihn beim Einkauf auf dem Markt