In ihrer Arbeit zeigt sie auf, wie professionell die Kommunalpolitik in deutschen Großstädten betrieben wird. Die Grenze zwischen Ehrenamt und Berufspolitik ist demnach fließend.
Der kommunalwissenschaftliche Preis der Carl und Anneliese Goerdeler-Stiftung, gemeinsam verliehen mit dem Deutschen Institut für Urbanistik, ist mit 1000 Euro dotiert. "Ich freue mich sehr, diese wichtige Auszeichnung zu erhalten", sagt Marion Reiser, die am Lehrstuhl von Prof. Dr. Everhard Holtmann arbeitet. Das Preisgeld werde sie in weitere Forschung investieren.
Ihre Dissertation hat bereits für Furore gesorgt. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nannte sie "eine interessante und lesenswerte Studie, die Rat und Orientierung zu vergeben vermag". Die Arbeit trägt den Titel "Zwischen Ehrenamt und Berufspolitik: Professionalisierung der Kommunalpolitik in deutschen Großstädten". Ausgangspunkt ist das Dilemma, in dem sich die Ratsmitglieder befinden: Auf der einen Seite sind sie formal ehrenamtlich tätig, auf der anderen Seite benötigen sie aber einen sehr hohen Zeitaufwand für die Ausübung des Mandats, der laut Studie zwischen 25 und 35 Stunden pro Woche beträgt.. "De facto gibt es seit langem einen Professionalisierungsprozess", konstatiert Marion Reiser. "Dass der Grad der Professionalisierung aber so hoch ist, wie ich feststellen konnte, hat mich überrascht."
Zeitaufwand, Aufwandsentschädigungen, Infrastruktur (z.B. Anzahl der Mitarbeiter) - das sind Faktoren, anhand derer die Wissenschaftlerin die Professionalisierung bemessen hat. Neben der Auswertung der relevanten Literatur beruht die Untersuchung empirisch auf einer Datenanalyse für alle deutschen Großstädte mit mehr als 400.000 Einwohnern, einer schriftlichen Befragung aller 287 Stadträte in den vier Untersuchungsstädten Hannover, Frankfurt am Main, Nürnberg und Stuttgart und vertiefenden, leitfadengestützten Interviews mit 40 Stadtratsmitgliedern.
Die Befragung ergab, dass 89 Prozent der Ratsmitglieder durch das Mandat Nachteile und Probleme am Arbeitsplatz erfahren haben und dass 85 Prozent der Ratsmitglieder Strategien zur Vereinbarkeit anwenden. Die wichtigsten Strategien sind dabei die (vollständige) Freistellung, der Arbeitsplatzwechsel, flexiblere Arbeitszeiten und die Reduzierung der Arbeitszeit. "Mit dem Spannungsverhältnis kommt jeder auf seine Weise klar", sagt Politikwissenschaftlerin Reiser. "Thematisiert wird es öffentlich kaum. Alle Mandatsträger wissen: Das ist ein heikles Thema, gerade in Bezug auf Aufwandsentschädigungen." Von den Befragten wollen die meisten an dem Charakter der kommunalpolitischen Aktivität als Ehrenamt nicht rütteln - auch wenn sie der Auffassung sind, dass die Notwendigkeit für eine Reform besteht.