Christine Bauer-Jelinek ist immerhin Psychotherapeutin, coacht Karrierebewusste in Toppositionen, hält Vorträge auf internationaler Ebene und als Gastreferentin Vorlesungen an der Donau-Universität Krems. Man darf annehmen, sie weiß, worüber sie schreibt.
In der Tat! Bereits im zweizeiligen Vorwort lässt sich erkennen, wohin die Autorin steuert: „Für alle Frauen und Männer, die sich eine menschlichere Gesellschaft wünschen“. Und dann geht es auch gleich zur Sache. „Sind Frauen die besseren Menschen?“ stellt Frau Bauer-Jelinek die nicht als platt- rhetorisch zu verstehende Frage. Männern, die derzeit zwischen Schuld haben und Lächerlichkeit apostrophiert werden, und Frauen, die, wenn sie an der Macht wären, eine bessere Welt erschaffen würden, weil friedliebender, teamfähiger, kompetenter – mit diesem Mythos räumt die Autorin auf.
Kein Thema der Frauenbewegung lässt sie aus, hinterfragt, erläutert, polarisiert. Kritisch setzt sich die Autorin etwa im Kapitel „Der 'Allmachts-Feminismus'“ mit eben diesem Begriff und seiner Inhaltlichkeit auseinander. Fazit hier: Allmachts-Feminismus „hat sich zu einer mächtigen fundamentalistischen Doktrin entwickelt“, die kompromisslos anderes Denken, Diskussionen und Gegenmeinungen wegbremst. Zwanghafte Gleichverteilung von Pflichten und Rechten – diesem Gedanken widerspricht Frau Bauer-Jelinek energisch. „Allmachts-Feminismus“. lässt sich weder an Politiker/innen festmachen, noch wird er von Institutionen/Organisationen propagiert. Vielmehr handle es sich – so die Autorin - um „ein Konglomerat aus unterschiedlichen Annahmen, die im weitesten Sinne mit Geschlechterfragen zu tun haben.“ Gewolltes Ziel oder nur nicht konsequent zu Ende gedacht: eine verordnete zwanghafte Gleichverteilung, die den Kampf zwischen Frauen und Männern fördert und den Blick auf viel Wichtigeres, nämlich auf Spannungsfelder wie beispielsweise Arm und Reich, versperrt.
brikada-Bewertung: Meisterhaft versteht es Christine Bauer-Jelinek, die komplexe Thematik „Frau-Mann“ leicht lesbar und verständlich zu sezieren. Sie macht den Allmachts-Feminismus als den aktuellen Feind aus. Er ist verantwortlich für einen drohenden Riss durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Es ließe sich gewiss stundenlang über ihre Ansichten kontrovers diskutieren. Immerhin erweist sich das Buch als Impulsgeber, Frauen und Männer zu gemeinsamen Gesprächen für „eine menschlichere Gesellschaft“ zu bewegen. Auch dies eine gewollte Provokation der Autorin?
Brigitte Karch
Leserbewertung:
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Christine Bauer-Jelinek: „Der falsche Feind“, 176 Seiten, Format 15 x 21,5 gebunden mit Schutzumschlag, 19,95 Euro, ISBN 978-3-7110-0029-3, erschienen im ecowin Verlag, Salzburg.