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Konzertpianistin Chong Liao: "Man muss Musik erleben können!"

10.08.2010

Das Programm des rund einstündigen Klavierkonzerts reichte von der frischen Leichtigkeit eines Eric Satie (Valse-Balett B Dur) über Musikstücke von Frédéric Chopin (darunter das harmonische und abwechslungsreiche Nocturne op 15 Nr. 1 Fis Dur) bis hin zu Claude Debussy mit seinem anspruchsvollen Prélude Les collines d´Anacapri.

Abschließend interpretierte Chong Liao in der Klavierfassung zwei Kunstlieder von Shang Guo Liao (1893-1959), besser bekannt unter seinem Künstlernamen Qing Zhu, einem der wohl berühmtesten Komponisten, Musikwissenschaftler und Dichter Chinas. Kein Wunder, dass es Chong Liao auf nahezu unnachahmliche Weise gelang, in die beiden Liebeslieder "Ich wohne am Anfang des langen Flusses" und "Ostwärts fließt der große Strom", ihre Erinnerungen mal sehnsuchtsvoll-perlend, mal kämpferisch-lieblich musikalisch authentisch zum Ausdruck zu bringen. Kein Wunder deshalb, weil Chong Liao die Enkelin dieses großen Meisters ist und mit hohem Einfühlungsvermögen seine Kunstlieder darzubieten versteht.

Für die als Konzertpianistin und Lehrerin für Klavier und zugleich auch für chinesische Sprache tätige Chong Liao war dieses Privatkonzert ein willkommener Anlass, um sich gewissermaßen via "Generalprobe" für ihren Konzertauftritt in ihrer Geburtsstadt Peking vorzubereiten; denn in wenigen Tagen wird sie auf Einladung der Zentralen Musikhochschule in Peking eben dieses Konzert geben und anschließend im Zuge dieser Musik-Pädagogischen Fahrt auch Vorträge halten.

"Ich übe täglich etwa eine Stunde am Klavier", erzählt Chong Liao lachend. Kaum zu glauben, dass sie die so schwierigen Passagen in den Stücken von Satie, Chopin und Debussy gleichsam mit spielerischer Leichtigkeit bewältigt, immerhin verfügt sie "nur" über kleine, zierliche Hände mit relativ kurzen Fingern. Lampenfieber? Ach ja, das habe sie schon. Am liebsten spielt sie vor einem zahlenmäßig kleinen Publikum. Bei Konzerten mit 5.000 Zuhörern winkt sie ab: "Nein, das schaffe ich nicht!"

Was sie von der oftmals ausschließlich verlangten Perfektion hält? "Wenn man von mir erwartet, dass ich so perfekt spiele, wie man es von einer CD hören kann, dann finde ich das nicht gut. Perfektion bedeutet für mich Nebensache. Natürlich muss die Technik erlernt werden, das ist klar. Wichtige jedoch ist für mich, die Seele eines Musikstückes zu vermitteln, den Menschen sichtbar zu machen, der diese Musik schrieb. Man muss Musik erleben können, sich an ihr erfreuen können, und nicht wie bei einer Olympiade von einem Rekord zum nächsten hetzen. Bei der Interpretation eines Musikstücks müssen für den Zuhörer Freiräume zum Denken und Fühlen bleiben."

Wie sehr Chong Liao der Musik verbunden ist, beweist sie auch mit dem von ihr verfassten Buch "Der deutsche Chinese" (erschien 2009 im Wißner-Verlag). Es ist eine Hommage an ihren Großvater, dessen wechselvolles Leben sie schildert. "Nachdem mein Vater bereits eine Berufsbiographie über ihn geschrieben hat, habe ich mehr die private Seite meines Großvaters verfasst, und zwar eingebettet in eine Romanform."
Text und Foto: Brigitte Karch

Bildunterschrift: Konzertpianistin Chong Lioa.