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Lenbachhaus und Kunstbau München: Lebensmenschen – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin

19.10.2019
Bildunterschrift: Dieses von Wassiliy Kandinsky aufgenommene Foto zeigt (v.l.) Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin, Andreas Jawlensky (Sohn von Jawlensky und Helene Nesnakomoff), Gabriele Münter. Foto: Wassily Kandinsky

München. - Hier ist wirklich das Beste in Sachen Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin vereint. 190 Werke zeigen die Stationen ihres künstlerischen Schaffens und ihres untrennbar damit verknüpften Privatlebens. Die Lebensmenschen Alexej und Marianne haben sich umkreist, vereint und abgestoßen wie Himmelskörper im Universum.

Was dabei entstanden ist, zeigt das Lenbachhaus im Kunstbau (höchst bequem direkt von der U-Bahn aus zu erreichen) in Form kunsthistorischer Erzählungen, wie dies bisher noch nicht getan wurde. Eine große Rolle spielt die Geschlechterbeziehung im frühen 20. Jahrhundert. Die Ausstellung legt die Biografien der beiden russischen Künstlerpersönlichkeiten aufeinander, die gleichberechtigt mit Gabriele Münter und Wassily Kandinsky die expressionistische Avantgarde begründet haben.

Bildunterschrift: Beschwingt: Marianne von Werefkins „Selbstbildnis mit Matrosenbluse“ zeigt die Künstlerin im Alter von 33 Jahren. Foto : Museo Comunale d’Arte Moderna, Ascona.

Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit dem Museum Wiesbaden zustande gekommen. Das Lenbachhaus besitzt dank der Schenkung Gabriele Münters zur Kunst des Blauen Reiters und weitere Erwerbungen bedeutende Werke Jawlenskys und ein wichtiges Konvolut aus Werken Werefkins. Das Museum Wiesbaden bewahrt hundert Arbeiten Jawlenskys und vier bedeutende Werefkin-Gemälde. In München findet alles zusammen. Weitere Höhepunkte sind u.a. Beiträge des Museo Comunale d’Arte Moderna – Fondazione Marianne Werefkin, Ascona, des Zentrums Paul Klee, Bern, des Schloßmuseums Murnau und des Solomon R. Guggenheim Museums, New York.

Der junge russische Tänzer Alexander Sacharoff hat beide Künstler inspiriert, hier ein Werk von Marianne von Werefkin (Tempera auf Papier auf Karton) aus dem Jahre 1909, und darf durchaus auch zu den „Lebensmenschen“ beider gezählt werden; Fondazione Marianne Werefkin. Foto: Museo Comunale d’Arte Moderna, Ascona.

Das Werk Marianne von Werefkins ist in München nahezu vollständig vertreten. Die Schülerin – sie wurde bereits in jungen Jahren als „russischer Rembrandt“ gerühmt - des ikonischen russischen Malers Ilja Repin hat aufgrund einer zehnjährigen „Malpause“ zwischen 1896 und 1906 weniger Werke hinterlassen. Während dieser Jahre widmete sie sich der Förderung Jawlenskys Talents und beschäftigte sich mit Kunsttheorie und der damals aktuellen Kunstproduktion.

Bildunterschrift: : Dieses Selbstbildnis (Tempora und Lackbronze auf Papier auf Karton) ist um 1910 entstanden und zeigt eine sehr entschlossene Marianne von Werefkin – schleudert sie dem Betrachter gleich Blitze aus ihren Augen entgegen? Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Simone Gänsheimer, Ernst Jank

1908 hielten sie sich gemeinsam mit Kandinsky und Münter im damaligen künstlerischen „Hot Spot“ Murnau in Oberbayern aus und fanden, wen wundert’s, zu der typischen expressiven und farbstarken Malerei.

Jawlensky malte immer abstraktere Murnauer Landschaften, während Werefkin ihre spezifische erzählerische Figurenmalerei entwickelte. Inspiriert vom sozialkritischen Blick ihres Mentors Repin griff sie in ihrem Spätwerk auch Motive aus dem Arbeitermilieu wie „Wäscherinnen“, „Holzfäller“ und „Nachtschicht“ auf.

Bildunterschrift: Dieser „Liebeswirbel“ (Tempera auf Papier auf Karton) entstand 1917 und veranschaulicht die damalige Seelenlage Marianne von Werefkins: Allein steht sie (Bildmitte) inmitten lauter glücklicher Paare. Erben Diego und Carmen Hagmann, Zürich; Foto: Dauerleihgabe Museo Comunale d’Arte Moderna, Ascona.

Ein prominenter Platz in der Ausstellung gebührt natürlich dem berühmten Porträt, das Gabriele Münter (beide Damen waren sich übrigens nicht sonderlich zugetan) von Werefkin samt üppigem Blumenhut gemalt hat.

Von besonderem Reiz ist ein Gemälde des 1983 verstorbenen Jawlensky-Sohns Andreas, „Bildnis von Clotilde Sacharoff, 1919 (Privatsammlung). Andreas entspross einer Liebesbeziehung mit Werefkins Dienstmädchen Helene von Nesnakomoff.

Alexej von Jawlensky porträtiert sich hier quasi beim Selbst-Porträtieren und schaut zwischen Palette und Spiegelbild hin und her (Öl auf Karton). Foto: Museum Wiesbaden  / Bernd Fickert

Eine außergewöhnliche Ausstellungsarchitektur verdeutlicht den Lebenslauf von den Anfängen bis zum Spätwerk beider Künstler, von St. Petersburg bis München, Murnau, ins Schweizer Exil nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Trennung 1921, als Werefkin in Ascona blieb und Jawlensky mit seiner Familie (er hatte inzwischen Helene geheiratet) nach Wiesbaden zog. Irrwege, Umwege, gegenseitige Ergänzungen – alles spiegelt sich wider. Im Text zur Ausstellung heißt es: „Begleitet werden die Wege von einer überwältigenden Galerie von Jawlenskys ‚Köpfen‘ und späten ‚Gesichtern, auf die Werefkins Theaterszenen, Arbeiterdarstellungen und Visionen seelischer Zustände antworten“.

Autorin: Doris Losch

Lebensmenschen – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin“, Lenbachhaus Kunstbau München, 22. Oktober 2019 – 16. Februar 2020, kuratiert von Annegret Hoberg und Roman Zieglgänsberger. Die Ausstellung zieht anschließend nach Wiesbaden und Ascona weiter.

Weitere Informationen:
www.lenbachhaus.de
www.lenbachhaus.de/schulklassen
www.lenbachhaus.de/gruppen