(Düsseldorf - Prof. Dr.-Ing. Kira Kastell ist Vorsitzende des VDI-Netzwerks „Frauen im Ingenieurberuf“ und des VDILandesverbands Hessen. Sie ist Vizepräsidentin der Frankfurt University of Applied Science und seit 2009 dort Professorin für Übertragungstechnik. Im Interview, das wir in Auszügen veröffentlichen, berichtet sie inwieweit die digitale Transformation Studium und Lehre verändert und wie Deutschland in puncto Digitalisierung im internationalen Vergleich dasteht
Frau Kastell, wie bereiten Sie Ihre Studierenden auf die digitale Transformation vor?
Die Frankfurt University of Applied Sciences bereitet ihre Studierenden in vielfältiger Weise auf die Digitale Transformation vor. Passend zum jeweiligen Studiengang wird der Einsatz digitaler Technologien und Dienste vorgestellt und der Einsatz kritisch erörtert. Ich selbst bin als Vizepräsidentin nur sehr eingeschränkt in der Lehre tätig. Mein Lehrgebiet Übertragungstechnik ist aber ein Kernstück der Digitalen Transformation, sodass ich vielfältige Anknüpfungspunkte und aktuelle Entwicklungen aufgreifen kann, z.B. Internet of Things oder Assistenzsysteme.
Inwiefern fordern Studierende im Studium Inhalte über die digitale die digitale Transformation?
In der Übertragungstechnik ist dieser Themenbereich naturgemäß stark nachgefragt und die Studierenden beschäftigen sich oft in ihrer Freizeit mit Projekten, die in die Lehrveranstaltung eingebunden werden können. Darüber hinaus bieten wir auch außerhalb von Lehrveranstaltungen Vorträge und Workshops zu unterschiedlichen Aspekten der Digitalisierung sowohl aus technischer als auch aus gesellschaftlicher Perspektive
Wie weit ist die digitale Transformation in der Übertragungstechnik bzw. in der Elektrotechnik in den letzten Jahren vorangeschritten?
Die Übertragungstechnik beschäftigt sich schon sehr lange mit digitaler Nachrichtenübertragung. Da war der Begriff digitale Transformation in dieser Form noch gar nicht gebräuchlich. Elektrotechnik und Informatik sind die Disziplinen, die digitale Transformation ermöglichen, da digitale Daten und ihre Übertragung/Verbreitung von diesen beiden Disziplinen besonders abhängen.
Ich persönlich finde es daher viel spannender, das inter- und transdiziplinäre Zusammenwirken mit anderen Disziplinen zu betrachten, die noch nicht über mehrere Jahrzehnte digitaler Entwicklung verfügen. Hier spielt die Datenauswertung ebenso eine Rolle wie Fragen gesellschaftlicher Akzeptanz. Es soll ja nicht um Digitalisierung um jeden Preis gehen, sondern wir müssen sinnvolle Einsatzgebiete definieren und dabei auch die Grenzen und Risiken der Digitalisierung betrachten. Dafür ist ein Austausch über technische Fachrichtungen hinaus sehr wichtig, ebenso wie die Einbeziehung unterschiedlicher Personengruppen, z.B. unterschiedliche Altersgruppen und Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft.
Wie sehen Sie die digitale Transformation in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern?
Leider ist Deutschland hier nicht Vorreiter. Andere Länder sind in unterschiedlichen Aspekten weiter. Zum Beispiel konnte ich bereits 2008 als Gastprofessorin in Estland vom flächendeckenden kostenlosen WLAN-Zugang profitieren, der die Nutzung digitaler Dienstleistungen stark vereinfacht. Die estnische Regierung strebt an, alle öffentlichen Dienstleistungen weitgehend zu digitalisieren. Dazu bedarf es eines gut ausgeklügelten Sicherheitskonzeptes. Auch in Estland läuft nicht alles reibungslos, aber auf diesem Gebiet ist man dort schon sehr viel weiter als bei uns.
Außerdem gibt es einige Länder, bei denen Informatik/Informationstechnik im Lehrplan der Grundschule verankert ist. In Großbritannien soll zukünftig jede/r Schüler/in in der Schule Aspekte z.B. der Roboterprogrammierung und des 3D-Drucks kennenlernen. Wenn wir Digitalisierung erst in den Hochschulen beginnen, ist das zu spät. Hier muss bereits sehr früh ein grundlegendes Verständnis gelegt werden.
(Quelle: VDI)
Weitere Informationen:
www.vdi.de
Titelbild: Prof. Dr-Ing. Kira Kastell, Vorsitzende des VDI Netzwerks Frauen im Ingenieurberuf. Foto: ©Uwe Dettmar