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Historisches Museum der Pfalz Speyer interpretiert den Mythos Richard Löwenherz ganz neu

15.09.2017
  Warum ausgerechnet eine Sonderausstellung mit der Thematik „Richard Löwenherz König – Ritter – Gefangener“? Ist das denn heutzutage überhaupt ein bedeutsames Thema? Diese Fragen mag sich hier manch einer stellen. Doch Dr. Alexander Schubert, Leitender Direktor und Geschäftsführer vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, und sein Team geben schlüssige Antworten. Und zwar so überzeugend und nachvollziehbar, dass die rhetorische Zusatzfrage „Warum erst jetzt eine Ausstellung rund um Richard Löwenherz?“ unweigerlich folgt. Ab Sonntag, 17. September 2017 kann sich dann jeder auf Spurensuche begeben und auch eigene Antworten finden. Zeit dazu haben die Besucher bis zum Ende der Ausstellung am 15. April 2018.   [caption id="attachment_10667" align="alignnone" width="900"] Stellten sich den Fragen der Medienvertreter auf der Pressekonferenz zur großen Landesausstellung „Richard Löwenherz König – Ritter – Gefangener“ im Historischen Museum der Pfalz Speyer (v.l.): Sabine Karle-Coen, Leitung Medien und Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Alexander Schubert, Leitender Direktor und Geschäftsführer, Simone Heimann, Projektleitung, Kuratorin Sabine Kaufmann M.A. sowie Prof. Dr. Stefan Weinfurter Universität Heidelberg Wissenschaftlicher Beirat. Foto: © Brigitte Karch[/caption]   Bis heute ist der Name Richard Löwenherz mit der legendenhaft verklärten Vorstellung vom idealen Ritter und tatkräftigen König verknüpft. Wie kommt es zu diesem Mythos? Was zeichnet die Figur Löwenherz aus, dass sie seit Jahrhunderten als Projektionsfläche für Ritterlichkeit und Wagemut dient? Im Mittelpunkt dieser Schau steht Richards Lebensgeschichte, seine Herkunft, sein Aufstieg und sein tiefer Fall auf dem Höhepunkt der Macht. [caption id="attachment_10641" align="alignleft" width="300"] "Ausstellungsthemen haben einen ganz besonderen Reiz, wenn sie welthistorische Relevanz besitzen und gleichzeitig regionalgeschichtlich verortet werden können. Dies trifft in besonderem Maße auf Richard Löwenherz zu. Als berühmtester Gefangener des Mittelalters verbrachte der englische König rund 14 Monate in der Region am Oberrhein, auf dem Trifels, in Hagenau, Speyer, Worms und Mainz."  Dr. Alexander Schubert, Leitender Direktor des Historischen Museums der Pfalz. Foto: Brigitte Karch[/caption]           [caption id="attachment_10666" align="alignright" width="300"] "Richard Löwenherz tritt uns in den Quellen als großgewachsen, kraftvoll mit strahlend blauen Augen entgegen und galt in seiner Zeit als der ideale Held der höfischen Welt. Im Kampf stand er mutig und entschlossen stets in der ersten Reihe. Keiner konnte ihm widerstehen, ...er ... bot seinen Anhängern Sicherheit und Erfolg und verkörperte wie kein anderer seiner Zeitgenossen die königliche Autorität.“ Prof. Dr. Stefan Weinfurter, Universität Heidelberg und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats zur Ausstellung „Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener“. Foto: Brigitte Karch[/caption]                             [caption id="attachment_10646" align="alignleft" width="283"] "Richard Löwenherz gehört zu den bekanntesten und gleichzeitig umstrittensten Persönlichkeiten des Hohen Mittelalters. ... Die Ausstellung versucht, basierend auf den Forschungen der letzten Jahre, ein differenziertes Bild des englischen Königs zu vermitteln.“ Sabine Kaufmann M.A., Historisches Museum der Pfalz Speyer, Kuratorin der Ausstellung „Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener“. Foto: Brigitte Karch[/caption] [caption id="attachment_10670" align="alignright" width="285"] Die Vorbereitung der Ausstellung „Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener“ war überaus intensiv, alles in allem haben wir fast vier Jahre daran gearbeitet. Mit unserem Ausstellungsthema haben wir Neuland betreten, denn in dieser Form gab es weder in England noch in Frankreich oder Deutschland eine Ausstellung zum englischen König und Herzog von Aquitanien. ...“ Simone Heimann M.A., Historisches Museum der Pfalz Speyer, Kuratorin der Ausstellung „Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener“. Foto: Brigitte Karch[/caption]                           Der Ausstellungsrundgang endet mit einem Blick auf die Verschiebung der Machtverhältnisse in England und Europa nach seinem Tod. Die spannendste Frage aber ist, wie es Richard gelang – trotz seiner mit zehn Jahren vergleichsweise kurzen Herrschaftszeit, von der er nur sechs Monate in England verbrachte – zu einer der berühmtesten Persönlichkeiten des gesamten Mittelalters aufzusteigen. Sein Name reiht sich mühelos in die Liste bekannter Größen ein wie Karl dem Großen, Walther von der Vogelweide, Friedrich Barbarossa oder Hildegard von Bingen. In der Geschichtswissenschaft galt Richard Löwenherz lange als „schlechter König“, der sein Reich vernachlässigte, ihm enorme finanzielle Belastungen auferlegte und seine persönliche Ruhmsucht über die Interessen des Reiches stellte. Im öffentlichen Bewusstsein konnte sich diese Interpretation seiner Lebensgeschichte aber nie durchsetzen. Schon in jungen Jahren arbeitete Richard an seiner eigenen Glorifizierung. Er umgab sich mit zahlreichen Troubadouren, die seine ritterlichen Tugenden und den bedingungslosen Einsatz im Kampf besangen. So erhielt er schon zu Lebzeiten den berühmten Beinamen „Löwenherz“ und wurde in einem Atemzug mit dem mythischen König Artus genannt. Nicht zuletzt ermöglichte seine lange Abwesenheit während des Dritten Kreuzzuges und der anschließenden Gefangenschaft die Stilisierung Richards zum idealen König, ganz im Gegensatz zu seinem präsenten Bruder Johann Ohneland. In späterer Zeit verbanden sich Legenden wie die Sage von Blondel, der singend seinen gefangenen Herren sucht, sowie die Geschichten um Robin Hood mit seinem Namen und sorgten für die Tradierung des Mythos in Literatur, Film und Musik bis in die heutige Zeit. Als Ausstellungsort kann Speyer direkt an die Geschichte des berühmten Königs anknüpfen. Hier war es, wo Richard als Gefangener des Stauferkaisers Heinrich VI. am 22. März 1193 in einer Art Schauprozess mit einer langen Liste an Vorwürfen konfrontiert wurde. Über ein Jahr verbrachte der englische Herrscher in Gefangenschaft – auf der Reichsburg Trifels, in der Kaiserpfalz im heute elsässischen Hagenau sowie in Speyer, Worms und Mainz, den bedeutenden Städten am Oberrhein. Für seine Freilassung wurde ein Lösegeld von nie dagewesenem Ausmaß verlangt: 100.000 Mark, was 23 Tonnen reinem Silber entspracht. An Weihnachten im Jahr 1193 war Richard erneut in Speyer. In diesem Winter verfasste er sein Lied „Ja nus hons pris“, in dem er beklagt, dass er so lange auf die Aufbringung des Lösegeldes warten muss. Seine Mutter, Eleonore von Aquitanien, gelang es schließlich, die Summe beizuschaffen, sie entsprach fast dem dreifachen Jahreshaushalt des englischen Königreichs.     [caption id="attachment_10691" align="alignleft" width="300"] 23 Tonnen Silber Lösegeld mussten für die Freilassung Richard Löwenherz’ aufgebracht werden. Foto: Historisches Museum der Pfalz/Carolin Breckle[/caption] [caption id="attachment_10665" align="alignleft" width="300"] Abgüsse der Grabplatten Richards I. Löwenherz und Eleonores von Aquitanien, seiner Mutter, aus dem Jahr 1912. Bildnachweis: Cité de l'architecture et du patrimoine, musée des monuments français, Paris, ©Département de la Vendée, CDME/Foto Patrick Durandet. Die farbig gefassten Originale der Grabplatten aus der Zeit um 1200 befinden sich in der Abtei Fontevraud[/caption]                       Über 150 Exponate aus Museen und Bibliotheken in Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz sind in der Ausstellung zu sehen. Darunter kostbarste Handschriften, die erstmals in Deutschland gezeigt werden, Reliquiare, beeindruckende Skulpturen und Waffen. So gehören zu den besonderen Schätzen dieser Ausstellung eine frühe Ausgabe der Magna Carta, die ursprünglich von Richards Bruder Johann Ohneland erlassen wurde, das vergoldete und mit Edelsteinen besetzte Kreuz Heinrichs des Löwen, historische Abgüsse der Grabmäler von Richard Löwenherz, Heinrich II. und Eleonore von Aquitanien aus der Abtei von Fontevraud und der sogenannte „Kopenhagen-Psalter“, der zur Erziehung junger Adliger an einem europäischen Fürstenhof angefertigt wurde. Eigens für die Ausstellung angefertigte Animationen zeichnen Richards Reisewege durch Europa nach und bieten einen lebendigen Einblick in die Welt des Mittelalters. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer. Das rheinland-pfälzische Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat der Ausstellung den Ehrentitel einer „Landesausstellung Rheinland-Pfalz“ verliehen. Die Eingangsfragen „Warum ausgerechnet eine Sonderausstellung mit der Thematik „Richard Löwenherz König – Ritter – Gefangener“? Ist das denn heutzutage überhaupt ein wichtiges Thema?“ beantworten Dr. Alexander Schubert und Kuratorin Sabine Kaufmann zusätzlich bei den brikada-Video-Sequenzen auf facebook. (Quelle: Historisches Museum der Pfalz Speyer) bk Zur Landesausstellung Rheinland Pfalz erschien ein prachtvoller Katalog „Richard Löwenherz König – Ritter – Gefangener“. Das bemerkenswerte Zitat von Steven Runciman zum Ende de 416-seitigen Werks umreißt den Charakter Richard Löwenherz prägnant und treffend: „Ein schlecher Sohn, ein schlechter Ehemann und ein schlechter König, aber ein edelmütiger und großartiger Krieger.“ Richard Löwenherz König – Ritter – Gefangener, Herausgeber: Alexander Schubert, Hardcover (fadengeh. Pappband), 416 Seiten, 387 farbige und 7 s/w Illustrationen, 978 3 7954 3165-5, erhältlich im Museumsshop zum Vorzugspreis von 24,90 Euro, ersch. 13.09.2017 im Verlag Schnell&Steiner, www.schnell-und-steiner.de       Weitere Informationen www.loewenherz-ausstellung.de www.museum.speyer.de www.facebook.com/pg/brikada/videos/?ref=page_internal Titelbild: Gestaltung: Lisa-Marie Malek für das Historische Museum der Pfalz Speyer, Foto: Dennis Gilbert; das Team zur Landesausstellung „Richard Löwenherz König – Ritter – Gefangener“? Sowie eine Besucherin, die Exponate bewundert