Brikada - Magazin für Frauen

Brikada

Heilslehre Nr. 1001

23.10.2012

Hundert Jahre kerngesund bleibt demnach wer sich nach Dr. Worm mit wenigen Kohlehydraten ernährt, nach Wolf Funfack und Silvia Bürkle die Methode Metabolic Balance wählt, sich nach der Blutgruppendiät von Peter J. D’Adamo richtet, ganz zu schweigen von den Altmeistern Bruker, F.X. Mayr, Sebastian Kneipp, bleiben zu erwähnen die Steinzeitdiät, die Herzdiät, die Ernährung bei Leber-, Galle-, Magen-Leiden, die Wechseljahresdiät. Ach ja, dann gibt es ja noch Rezepte zur Förderung der Libido(Alfons Schuhbeck bietet übrigens ein spezielles Sex-Gewürz an).

Rund acht Prozent der deutschen Bevölkerung ernähren sich vegetarisch, schätzungsweise zwei Prozent sind auf dem Veganer-Trip, Heilslehre 1001. Veganer meiden alles Tierische vom Ei bis zur Kuhmilch, vom Tafelspitz bis – und jetzt kommt’s – zum Honig! Aus Gründen der Gesundheit und des Tierschutzes. Tierschutz d’accord, aber was bitte haben die Honigbienen damit zu tun?

Gut, die Verhältnisse in den Bienenwaben sind natürlich höchst beengt, aber deswegen von tierquälerischer Massenhaltung reden? Der Staat ist klar eine Diktatur: die Arbeiterinnen schuften, die Königin regiert. So weit wir informiert sind, pflegen die Bienen diese Lebensweise seit Urzeiten. Ein Aufruf zur Demokratisierung im Bienenstock würde wirkungslos verhallen.

Veganer-Prediger Dr. Ernst Walter Henrich zieht gegen Kuhmilchprodukte zu Felde. Der darin enthaltene „Cocktail aus Wachstums- und Sexualhormonen“ mache aus Milch eines der gesundheitschädlichsten Nahrungsmittel überhaupt, das Osteoporose, Krebs, Alzheimer, Bluthochdruck etc. fördere.

Anhänger von Verschwörungstheorien vermuten ein skrupelloses Zusammenspiel von Nahrungsmittelindustrie und Pharmawirtschaft. Die einen erzeugen krankmachende Lebensmittel, die anderen kassieren bei den Arzneimitteln ab. Alle sind verbrecherisch und gewissenlos.

Tatsache ist, dass Krankheiten wie Krebs, Bluthochdruck und Alzheimer zunehmen. Könnte es damit zusammenhängen, dass wir immer älter werden, uns zu wenig bewegen, dass Gene eine Rolle spielen? Vor hundert, zweihundert Jahren betrug das Durchschnittsalter die Hälfte bis ein Drittel der heutigen Lebenserwartung. Und das gemeine Volk war froh, wenn es überhaupt etwas zu essen gab.
Doris Losch