Brikada - Magazin für Frauen

Brikada

Doris Losch: Romeo und Julia

31.08.2010

Nun kam es wie es kommen musste: Lucy wurde rollig, sprang allen "ihren" Menschen auf den Schoß, schnurrte, was das Zeug hielt, gab Köpfchen, rollte sich maunzend auf dem Boden.

In einer Erdgeschoßwohnung residiert Pauli, ein fescher schwarzer Kater mit besonders seidigem Fellchen und einem Glöckchen um den schlanken Hals. Natürlich blieb es nicht aus, dass beide vom Balkon in der ersten Etage hinunter zur Wiese Blickkontakt aufnahmen. Sie fanden Gefallen aneinander!

Wie es nun so ist im Leben – eines Tages wurden Lucy und Pauli im Hof gesichtet, halb von Büschen verdeckt, aber es war doch zu sehen, dass sich beide innig und zart umpfoteten, ein anmutiger Anblick. Um es gleich voraus zu schicken: Kater Pauli ist nicht mehr naturbelassen. Dennoch entschlossen sich die Nachbarn, Lucy vorsichtshalber operieren zu lassen... denn wer weiß, wie viele andere, noch naturbelassene Kater den Weg zu einer so attraktiven Miezi finden... Lucy unterzog sich also der Operation, überstand alles bestens, nahm zu, sah aber auch mollig umwerfend aus, wie Kater Pauli mit schmachtenden Blicken hinauf auf den Balkon bestätigte.

Ein Jahr später. Der Frühling lässt sein blaues Band heftig flattern, da fängt Lucy an zu maunzen, heftig, laut, ausdauernd, rollte sich am Boden hin und her.... Ärztepfusch?? Jedenfalls erklimmt sie wieder regelmäßig die Balkonbrüstung und miaut lautstark hinunter zu Pauli, der stumm, aber ausdauernd hinauf schmachtet. Shakespeare-Freunde wussten sofort: Das sind Wiedergeburten von Romeo & Julia! Lucy rief: Romeo, mein Romeo! Pauli antwortet nicht, wirft ihr aber glutvolle Blicke zu. Es kamen samtene Juninächte, die Glühwürmchen flimmerten lautlos durch die laue sommerseidige Luft und Lucy ist irgendwie auf die Wiese gelangt – ob heruntergesprungen oder via Treppenhaus in einem unbewachten Moment ist unbekannt – und verbringt eine Sommernacht mit Romeo. Bis das sehr besorgte Frauchen sie am anderen Vormittag wieder einsammelte.

Nach zwei Wochen war die Rolligkeit vorbei. Um nach einigen Tagen erneut aufzuflammen! Wieder lautes Gemaunze von Balkon zur Wiese, flammende Blicke nach oben. Eindeutig, es war und ist Liebe. Wieder findet Lucy den Weg zu Romeo. Bloss ist es diesmal eine der vielen ungemütlicheren bayerischen "Sommernächte" und Pauli scheint irgendwie anderweitig beschäftigt gewesen zu sein. Mürrisch und kratzbürstig läßt sich Lucy am anderen Morgen – am Abend war ihr Frauchen und eine Nachbarin vergeblich auf Lucy-Pirsch gewesen (Lucy steckte nur kurz und frech ihr Näschen aus dem Gebüsch, um gleich wieder im dichten Blattwerk zu verschwinden) – endlich einfangen und nachhause tragen. Dort schlief sie sich ausgiebig aus, fraß ihre Lieblingsspeise – frisches Brathühnchen – und mopste sich.

Doch alte Liebe rostet nicht. Täglich ist es zu beobachten: Julia schaut mit lang gestrecktem Hals nach unten, Romeo hinauf. Es ist und bleibt Liebe, es ist und bleibt Romeo & Julia, Balkonszene!
Text und Foto: Doris Losch